Alice Munro zum 85.: "Tricks"

Was Alice Munros Erzählungen so erfolgreich macht, lässt sich anhand mehrerer Faktoren erklären. Einer davon ist höchstwahrscheinlich, dass die Charaktere ihrer Kurzgeschichten wirken, als wären sie direkt aus dem Leben gegriffen - facettenreich und voller Ungereimtheiten.

Eine Kleinstadt in British Columbia. Eine junge Frau auf der Suche nach Bildung, Abwechslung und Liebe. Ein jugoslawischer Exilant. Ein grünes Kleid und Shakespeare.

In diesen Koordinaten webt Alice Munro ein feines Netz der Beziehungen, von Sehnsüchten und Lebenslügen, Irrtümern und Zufällen der menschlichen Existenz. Der Plot scheint simpel: Ein Fremder trifft eine einsame Frau, eine Krankenschwester, die nach mehr hungert als nach dem schlichten Dasein in der Provinz. Sie begegnen einander, verlieren sich, wollen sich wieder sehen, in genau einem Jahr, die Begegnung verändert ihr Leben, das Glück scheint möglich.

Alice Munro begann erst spät zu schreiben, mit vierzig Jahren. Lange wurden ihre stillen Dramen unterschätzt. Längst ist sie nun auch in Deutschland anerkannt als Meisterin der kleinen Form und rätselhaften Seelenlandschaften seltsamer Frauen, lebenshungriger Mädchen, alter Jungfern, entfremdeter Paare. Auch "Tricks" bleibt geheimnisvoll, schemenhaft, düster und ein Beispiel für die Vergeblichkeit der Liebe, die Missverständnisse und verpassten Chancen des Lebens. Typisch für Alice Munro, die Meisterin der Short Story, die am 10. Juli 85 Jahre alt wird.

Ulrike Kriener, diesmal nicht die entschlossene Kommissarin Lukas, liest die Titelgeschichte aus Alice Munros Erzählband "Tricks"; eine zarte Episode von Liebe und Sehnsucht, eine rätselhafte Geschichte, eine Verwechslung, ein falsches Kleid, Shakespeare und Tricks des Lebens, das uns zum Narren hält. Moderation: Cornelia Zetzsche.