"Bahnwärter Thiel" von Gerhart Hauptmann - Beruf und Wahnsinn

"Bahnwärter Thiel" ist eines der berühmtesten Werke von Gerhart Hauptmann und bestimmt alles, was dessen Schaffen ausmacht. Thiel, der als Vornamen nur seine Berufsbezeichnung erhält, liebt seine Arbeit so sehr, dass seine Beziehung zu seinem Privatleben katastrophale Züge annimmt.

Aufrichtig und fromm ist er, der Bahnwärter Thiel. Und lebt nur für zwei Dinge: seinen Bahnposten und seinen kleinen Sohn.

Doch Arbeit und Privatleben zu vereinbaren war im 19. Jahrhundert noch weit schwieriger. Und endet im Falle von Bahnwärter Thiel in einer schrecklichen Katastrophe. "Bahnwärter Thiel", diese "novellistische Studie" von 1888 gilt als Frühwerk des deutschen Naturalismus und enthält alles, was das spätere Schaffen Hauptmanns ausmachen sollte.

Sozialkritische Anklänge stehen neben mythisch-religiösen Betrachtungen und ersten Versuchen einer psychologischen Studie. Der Bahnwärter Thiel, der von Hauptmann als Vornamen nur seine Berufsbezeichnung mitbekommen hat und dessen naturbestimmtes Leben durch den technischen Fortschritt aufgerüttelt wird, kann dem Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit und Ohnmacht angesichts familiärer Probleme nichts entgegensetzen als die Flucht in den Wahnsinn. 

Nicole Coulibaly erzählt - kontrapunktiert von den feinfühligen Kompositionen Johannes Hofmanns' - in stoischer Ruhe vom unausweichlichen Schicksal dieses fremdbestimmten Vaters.

Zum Autor

Gerhart Hauptmann (1862-1946) ist vor allem als führender Vertreter des deutschen Naturalismus in Literatur und Dramatik bekannt. Mit seinen milieukritischen Studien (v.a. in Dramen wie «Die Weber», «Vor Sonnenaufgang», «Die Ratten»), seiner unverblümten Darstellung der Abhängigkeit des Menschen von Geburt und Umwelt, bereitete er dem Naturalismus den Weg und galt seinerzeit als politischer Dramatiker der Moderne.