Eine junge Frau erklärte sich bereit, vor Zeugen beliebig viele Stecknadeln zu essen
Eine junge Frau erklärte sich bereit, vor Zeugen beliebig viele Stecknadeln zu essen © Rainer Sturm / PIXELIO

Hörspiel

Makabres Experiment: "Versuchter Selbstmord durch Verschlucken von Stecknadeln"

Manch einer mag sich noch an Georg Büchners "Woyzeck" erinnern: Der Protagonist hat sich dem Doktor gegen Bezahlung als Versuchsobjekt angeboten und darf nun nichts als Erbsen essen. Ähnliche Experimente führte der Vater des Autor, der Arzt Ernst Büchner, durch: Eine junge Frau aß Stecknadeln.

Als am 20. Februar 1823 morgens um acht eine junge Frau den Assessor Dr. Ernst Büchner, Mediziner und Vater von Georg Büchner, mit der Bitte aufsucht, ihr den Magen aufzuschneiden, da sie allerhand Steck-, Strick- und Stopfnadeln gegessen habe, um sich aus Liebeskummer das Leben zu nehmen, kann er sich des Lachens kaum erwehren.

Doch die Geschichte sollte sich als wahr erweisen. Mit nahezu aufreizender Nüchternheit schildert Ernst Büchner diesen äußerst kuriosen klinischen Fall 1823 im 6. Band der "Zeitschrift für die Staatsarzneikunde".

Durch Verabreichung von allerhand Emulsionen und Pillen gelang es, die Patientin schadlos zu halten, indem sie sämtliche Nadeln wieder ausschied.

Als Zweifel an der Geschichte seiner Patientin auftauchten, unternahm Ernst Büchner selbst Versuche an einem eigens dafür angeschafften Dachshund. Pedantisch wurde protokolliert, was der Hund wann zu fressen bekam, wie viele Stecknadeln unter seine Nahrung gemischt waren und wann wie viele davon wieder ausgeschieden wurden. Schließlich wurde der Hund erschlagen und sein Magen geöffnet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der junge Georg, zu diesem Zeitpunkt neun Jahre alt, Zeuge dieser Unternehmung wurde.

Schon nach kurzer Zeit erschien die Dame erneut und behauptete 200 weitere Stecknadeln gegessen zu haben; als Büchner das bezweifelte, erklärt die Frau sich bereit, vor Zeugen beliebig viele Stecknadeln zu essen.

In Einvernehmen mit Eltern und Freunden wird sie schließlich für sechs Tage eingeschlossen und Tag und Nacht beobachtet. Ein makabres Menschenexperiment nimmt seinen Lauf. 

Für die Büchner-Forschung findet die berühmte Erbsen-Szene des "Woyzeck" in der Nadelgeschichte ihren Ausgangspunkt. Man erinnere sich: Woyzeck hat sich gegen Geld als Versuchsobjekt der Wissenschaft angedient und darf monatelang nur Erbsen essen.

"Versuchter Selbstmord durch Verschlucken von Stecknadeln" im Überblick

Versuchter Selbstmord durch Verschlucken von Stecknadeln

von Ernst Büchner

Produktion: 2014

Sendezeit So, 21.09.2014 | 14:00 - 15:05 Uhr
Sendung hr2-kultur "Hörspiel"
Radiosendung