"Otto Mötö" - Die Erfindung eines finnischen Motorenmusikers

Der Finne Martti Mauri schlief schon als Kind lieber auf der warmen Motorhaube eines Traktors als in seinem Bettchen. Später trieb er sich auf Rennstrecken und Schrottplätzen herum, um seiner Leidenschaft für Motoren zu frönen, bis er bei einem Autounfall starb. Seine Biografie ist reine Erfindung.

Martti Mauri, geboren 1935 auf der Halbinsel Kuokkala bei Jyväskyla, ist passionierter Autodidakt mit einer gewaltigen Leidenschaft für Motoren aller Art.

Ein Liebender? Gewiss. Ein Fetischist? Selbstverständlich - wie anders könnte man einen Menschen beschreiben, der es sich schon als Kind lieber auf der noch warmen Motorhaube eines Traktors bequem machte als in einem herkömmlichen Kinderbettchen?

Seit Beginn der 1950er Jahre trieb sich Mauri auf Finnlands Rennstrecken herum, besuchte Traktormessen, Schrottplätze, untersuchte Waschmaschinen, Rasenmäher - und nahm alles mit seinem TK 64 auf.

Diese Aufnahmen fanden schließlich in der Szene elektronischer Musik einige Aufmerksamkeit und gelten unter Insidern als Vorreiter des "Industrial Techno", vor allem sein berühmtestes Stück, "Otto Mötö", das er aus Anlass des 100. Jahrestags des Ottomotors komponierte.

2003 kam Mauri bei einem Autounfall in seiner Heimatstadt Jyväskyla ums Leben. Was freilich ebenso wenig stimmt wie der Rest der Geschichte. Denn die deutsche Schriftstellerin und "Audiografin" Gabi Schaffner hat den finnischen Motorenmusiker einfach erfunden. Mitsamt Werkverzeichnis und Biografie.

Die Musik allerdings, die Gabi Schaffner in ihrer fiktiven Dokumentation verwendet, ist echt. Sie stammt von neun finnischen und deutschen Musikern, die sich, als wären sie Martti Mauri, sichtlich wohl fühlen in ihrer ratternden und knatternden Welt.

"Otto Mötö" wurde zum Hörspiel des Monats August 2012 gekürt. Die Jury lobt das Stück als "detailgenau und mit hohem Aufwand" produziert. "Das Porträt des Martti Mauri, das mit den Stilmitteln des journalistischen Features arbeitet, ist eine klug komponierte Fälschung. Zum Vergnügen aller, die den aktuellen Hype um das Dokumentarische kritisch sehen, und zur Freude derer, die sich für Geräuschmusik begeistern."