Das klassische Rotkäppchen-Märchen hat Mosebach als Vorlage für sein Drama genutzt
Das klassische Rotkäppchen-Märchen hat Mosebach als Vorlage für sein Drama genutzt © stadelmann werner / pixelio.de / PIXELIO

Hörspiel

Rotkäppchen und der Wolf

Ein Märchenklassiker neu erzählt. Leidenschaftlich, facettenreich und enthusiastisch spielt in Mosebachs Fassung nicht Rotkäppchen, sondern die Sprache die Hauptrolle. Eine künstlerische Meisterleistung.

Bereits zwei Jahre vor seiner Uraufführung im Bockenheimer Depot des Frankfurter Schauspiels fand Martin Mosebachs Drama „Rotkäppchen und der Wolf“ den Weg ins Hörspiel.

Das wundert nicht, eignet sich doch seine eigenwillige und verspielte Ausdeutung des bekannten Märchens mit seinen vielstimmigen Chören aus allerlei sprechenden Tieren und Sachen dafür par excellence. In leidenschaftlichem Sprachrausch, der sich einer Vielzahl literarischer Formen bedient, werden sowohl mit hohem Pathos wie auch leiser Ironie sämtliche Facetten der Märchenvorlage ausgeleuchtet. Martin Mosebach über sein Stück: „Ich wollte nach zwei umfangreichen Romanen und während der Vorbereitung eines weiteren Romans einmal etwas schreiben, das geeignet war, einen Rausch zu erzeugen, ein ungehindertes Strömen der Imagination, eine Sprachwollust und ein mit Leidenschaft gemischtes eigentümliches Gelächter.

Ich war der genauen Schilderung der Realität satt. Ich hatte mich an der Zergliederung der Welt, wie sie mich umgibt, erschöpft. Stattdessen sollte mich nun die Sprache selbst führen, an ihrem Faden tastete ich mich durch den labyrinthischen deutschen Märchenwald. Vorbilder gab es viele, von Calderons Welttheater bis zu Lewis Carrolls ‚Alice im Wunderland‘, der geneigte und gebildete Leser wird noch mehr entdecken. Aber nicht auf das Eingraben literarischer Fundstücke in den Waldboden kam es mir an, sondern auf einen Akt der Befreiung und der Unbekümmertheit, die das, was die Sprache in ihrer Erinnerung ohnehin enthält, dem eigenen Spiel nutzbar macht.

Kein Zweifel, daß ‚Rotkäppchen‘ einer gewissen romantischen Literatur am nächsten steht, die sich eine Mischung der Empfindungen zum Ziel gesetzt hat: eine Ironie, die sich im Raum des Pathos entfaltet, ohne den hohen Ton zu entkräften: lyrischer Gesang, der sich aus Groteske und Pasticcio entwickelt, rhetorischer Glanz, der sich aus der Komik des Absurden nährt. In ‚Rotkäppchen‘ ist vieles hineingeheimnist, und zugleich liegt der Kern dieses Stückes für jeden offen da: das Glück, das mir das Spiel mit einer reichen Sprache bereitet hat.“

"Rotkäppchen und der Wolf" im Überblick

Rotkäppchen und der Wolf

von Martin Mosebach

Mit Donata Höffer, Ingrid van Bergen, Grete Wurm, Chris Alexander, Rosemarie Gerstenberg, Michael Thomas, Rita Russek, Marianne Lochert, Tessy Kuhls, Christine Heiß

Produktion: 1990

Sendezeit So, 31.07.2016 | 14:00 - 15:05 Uhr
Sendung hr2-kultur "Hörspiel"
Radiosendung