Coultranes legendäre Album "Ascension" von 1965
Coultranes legendäre Album "Ascension" von 1965 © Hugo van Gelderen (Anefo) / Wikimedia Commons / CC0 1.0 Universial

Jazz

John Coltrane: "Ascension" (1965)

Das Rudy-Van-Gelder-Studio wurde einst Schauplatz eines klanglichen Spektakels, dass es davor und danach nie wieder zu erleben gab. Am 28. Juni 1965 besuchte John Coltrane gemeinsam mit zehn weiteren Musikern die Location in Englewood, New Jersey. Aus heutiger Sicht ein absoluter Allstar-Abend!

Die legendäre Besetzung des Coltrane-Konzerts aus dem Jahre 1965 umfasste in der Rhythmusgruppe Jim Garrison am Kontrabass, McCoy Tyner am Piano, Art Davis als zweiten Mann am Kontrabass und Elvin Jones am Schlagzeug. An der Trompete gab es Freddie Hubbard und Dewey Johnson zu hören und am Saxofon Pharaoah Sanders, John Tchicai, Archie Shepp und Marion Brown. Letztere wurden natürlich vom 38-jährigen Großmeister höchstpersönlich angeführt: John Coltrane.

Dessen Programm "Ascension" war durchaus als Aufbruch zu einer religiös ausgelegten "Himmelfahrt" zu verstehen. Die rund 40-minütige pausenlose Improvisation weiß bis heute zu begeistern. Inhaltlich-strukturell setzt das Spektakel durch ein Wechselspiel aus Solo- und Ensemble-Momenten zusammen. Als kompromisslos und frei ist das zu beschreiben, was die elf Musiker gemeinsam fabrizierten. Herauszuhören sind sowohl die klassischen Wurzeln des Jazz als auch eine tiefe Verbundenheit zum Blues.

Interessant ist unter anderem der Rückgriff auf die Prinzipien des New-Orleans-Jazz, denen nach durch die kollektive Improvisation ein kompakter Band-Sound angestrebt wird. Für Coltranes Combo war der gemeinsame Klang des Kollektivs ebenso grundlegend wie für die Urväter des Jazz, so Archie Shepp. Auffällig ist darüber hinaus, wie präsent die spirituelle Energie Coltranes während der ganzen Performance ist. Dank ihr bekommt die künstlerische Radikalität der Gruppe eine gewisse Wärme verliehen.

Im Text der LP schreibt Marion Brown: "You could use this record to heat up the apartment on those cold winter days." Colin Fleming, Redakteur der “Jazztimes“, beschrieb das Werk 2021 als seltsames Paradox: Zum einen strahle es durch Gnadenlosigkeit zum anderen zeichne es sich aber durch eine besondere Gnade aus.

Die "Freiheit", die den 1960er-Jazz auszeichnete, gibt es hier besonders zu spüren. Platten wie Ornette Colemans “Free Jazz – A Collective Improvisation“ (1961) leisteten Pionierarbeit für die Entwicklung des gleichnamigen Spielstils. "Ascensions" führte den orchestralen Free Jazz schließlich in den Olymp des guten Geschmacks, eine aufregende Herausforderung für all jene, die sich seiner einnehmenden Energie stellen wollen. Drei Tage nach Christi Himmelfahrt erklingen Coltrane und seine Gefolgsleute in diesem klanglichen Himmelfahrtskommando von Neuem in altbekannter Schönheit.

John Coltrane: "Ascension" (1965) im Überblick

Sendezeit So, 29.05.2022 | 20:55 - 21:40 Uhr
Sendung Ö1 "Milestones: Legendäre Alben der Jazzgeschichte"
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