Jules Renard war ein Mann der kleinen Form
Jules Renard war ein Mann der kleinen Form © freeimages.com

Klangkunst

Variationen über ein Stück von Jules Renard

Heinz von Cramer hat das 1903 uraufgeführte Stück "L'écornifleur" ins Deutsche übersetzt und neu in Szene gesetzt. Eine Überführung vom französischen Fechtclub in die Theaterwelt, mit Ironie und Witz durch Cramer reflektiert.

Jules Renard wurde 1864 in Châlons-du-Maine geboren und starb 1910 in Paris. Er hinterließ zwar kein allzu umfangreiches Werk, doch blieb sein prägnanter wie reduzierter Stil unnachahmlich.

Renard wuchs als Sohn eines burgundischen Unternehmes auf, ihn drückte aber die familiäre Situation, sodass er sehr froh um seinen Umzug nach Paris mit seiner Frau Marie Morneau war. Dort schrieb er Romane und Theaterstücke.

Im Roman "L'écornifleur" (Der Schmarotzer), 1892 publiziert, begegnet man zum ersten Mal einer Figurenkonstellation, die Renard zukünftig gerne wieder aufs Neue variieren wird: Monsieur Vernet, seiner Frau sowie Monsieur Henri, bei dem es nicht eindeutig ist, ob es sich um einen charmanten jungen Dichter oder doch um einen Schmarotzer handelt, wie es der Romantitel vermuten lässt.

Vernet lernt Henri beim Fechten kennen und stellt ihn seiner Frau vor, zusammen mit der Nichte Marguerite und Madames Schwester Pauline nehmen sie Henri mit auf einen Ausflug, der Schazplatz einer scheinbar zwanglosen Plauderei, die allerdings in Form von messerscharfen Dialogen alle möglichen Figuren- und Liebeskonstellationen auslotet.

Heinz von Cramer übersetzte das Stück erstmals ins Deutsche und analysierte es von allen Seiten. Er entschied, es in einer typischen Theaterkulisse zu positionieren und fügte damit eine Dimension hinzu, die Renards Künstlerleben selbst bestimmte.

Der ersten Begegnung des Autors mit dem großen Schauspieler folgt eine amateurhafte Probe unter Freunden, dann die Theaterprobe, die die Figuren schließlich zum Premierenabend führt. Dieser transzendiert in einer Apotheose in einen Traum, der alle vorherigen Schritte wieder zusammenfügt.

Die FAZ kommentierte die Ursendung wie folgt: das Stück sei "eine doppelte Komödie, die Rahmen- und Kernhandlung raffiniert, aber durchsichtig verschachtelt. Heinz von Cramer […] wetteifert hier mit Jules Renard an ironischer Eleganz, wenn er dessen Szenen in neuen Intermezzi witzig reflektiert. In diesem Arrangement, das auch auf Renards Tagebücher zurückgreift, sucht Cramer den Autor in der konkurrenzreichen Pariser Theaterwelt von damals auf."

Zum Autor

Heinz von Cramer (1924-2009), in Stettin geboren, im italienischen Viterbo verstorben. Er war Regisseur, Komponist und Autor und lebte seit den 50er Jahren in Italien, wo er zum Vorreiter der Hörspielproduktion wurde.

"Monsieur Vernet – von allen Seiten betrachtet " im Überblick

Monsieur Vernet – von allen Seiten betrachtet

von Heinz von Cramer

Mit Werner Wölbern, Ernst Jacobi, Eric Borner, Wolfgang Bieger u.a.

Produktion: 2004

Sendezeit So, 04.03.2018 | 14:00 - 15:05 Uhr
Sendung hr2-kultur "Hörspiel"
Radiosendung