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Hörspiel

Elfriede Jelinek: Wirtschaftskomödie | Teil 2 von 6

Teil 2/6 | Das Verhältnis ihrer Texte zur Wirklichkeit sei ein kontinuierliches aber undurchschaubares, äußerte Elfriede Jelinek in einem Interview. Die Wirklichkeit sei ein Tier, das immer neben dem Geschriebenen her laufe, es beißen oder sich von ihm streicheln lassen könne. Was davon eintritt, ist nicht planbar.

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Mit "Die Kontrakte des Kaufmanns" von 2009 lässt sich die Autorin besonders intensiv auf dieses Verhältnis ein, indem sie das Stück zur Wirtschaftskrise fortschreibt.

Noch 2009 entsteht "Schlechte Nachrede: Und jetzt?" als Epilog zu "Die Kontrakte des Kaufmanns". Das dreiaktige Stück "Aber sicher!" aus dem gleichen Jahr ist eine Fortsetzung. Schließlich bezeichnet Jelinek 2014 den bislang nicht aufgeführten Text "Warnung an Griechenland vor der Freiheit" als Zusatz zu "Die Kontrakte des Kaufmanns". In all diesen Texten zur ökonomischen Krise, die Jelinek im Hörspielprojekt unter dem Titel "Wirtschaftskomödie" zusammenfasst, manifestiert sich ihr system- und sprachkritisches Anschreiben gegen den Kapitalismus.

Die Stücke enthüllen die Krise einer Gesellschaft, die sich in ein System von Gier, Geld und Schuld verstrickt hat und dies nicht sehen will. Ausgangspunkt von "Die Kontrakte des Kaufmanns" bilden die Skandale um die österreichische Meinl Bank und die österreichische Gewerkschaftsbank BAWAG. 2007 verlieren Kleinanleger durch fragwürdige Finanzgeschäfte dieser Banken einen großen Teil ihres Vermögens.

So konkret diese Vorgänge in Jelineks Stück hinein spielen, wie etwa auch der Fall eines österreichischen Familienvaters, der wegen seiner massiven Verschuldung fünf Familienmitglieder erschlug, so chiffriert und überformt werden sie zugleich im literarischen und sprachlichen Verfahren der Autorin. "Wirtschaftskomödie" entlarvt die Mechanismen der Gier, der Gewinnorientierung und der Verblendung, in die sich Kleinanleger genauso verstricken wie Banker.

Es verdeutlicht den virtuellen Charakter des Marktes, in dem Wertschöpfung und der Ursprung von Reichtum oder Produktivität von Arbeit relativ werden und das Sprechen darüber hohl. Zudem vermittelt sich die quasireligiöse Aufladung ökonomischer Zusammenhänge, die nicht mehr hinterfragt, geschweige denn durchdrungen werden. Dabei erweisen sich die für Jelineks Schreiben typischen Sprachspiele als wiederholende Praxis dessen, was in der Wirtschaft passiert, nämlich als Schöpfungsakte aus dem Nichts: “Nur die Sprache, das verlogenste und gleichzeitig unbestechlichste Mittel im menschlichen Zahlungsverkehr (und sie kostet nichts! Wir alle haben sie!) kann das irgendwie fassen und darstellen, weil sie diese Differenz zwischen Wirklichkeit und Wirklichkeit überspringen kann, also letztlich das Nichts, denn wir sind alle Spielmaterial, Jetons, die aber niemand einwechseln will.

Auch die Autorin fällt jedes Mal wieder auf sie rein, sie hat einen Vertrag mit der Sprache abgeschlossen, weiß aber nicht mehr, was sie da überhaupt unterschrieben hat.” (Elfriede Jelinek) 

"Elfriede Jelinek: Wirtschaftskomödie" im Überblick

Elfriede Jelinek: Wirtschaftskomödie

von Elfriede Jelinek

Mit Hans Kremer, Wolfgang Pregler, Johannes Silberschneider, Götz Schulte, Wiebke Puls und Elfriede Jelinek

Produktion: 2015

Sendezeit So, 19.04.2015 | 15:05 - 17:00 Uhr
Sendung Bayern 2 "Hörspiel"
Radiosendung