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Levins Mühle - 34 Sätze über meinen Großvater | Teil 1 von 14

Teil 1/14 | Es sind die Vorformen der großen Katastrophen, die Bobrowski in der kleinen alltäglichen Welt der westpreußischen Provinz findet, wobei er nicht als allwissender Erzähler auftritt, sondern den Gang der Geschichte eher durch Nebensätze, Fragen und Reflexionen hemmt und sie so auf Alternativen hin untersucht.

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Verschiedene Erzählstile stehen nebeneinander, Dialoge wechseln unvermittelt mit inneren Monologen, sachliche Berichterstattung wird unterbrochen durch lyrisch-beschreibende Passagen.

Der Großvater des Erzählers lebt zur Zeit der Gründerjahre als reicher Mühlenbesitzer in Westpreußen. Die Deutschen, zu denen sich der Großvater trotz polnischer Vorfahren zählt, treten nach der Reichsgründung gegenüber Polen, Juden und Zigeunern als Herrenmenschen auf. So glaubt der Großvater ein "natürliches Recht" wahrzunehmen, wenn er eines Nachts die Mühle seines jüdischen Konkurrenten Levin durch heimtückisches Öffnen einer Schleuse zerstört.

Als Levin gegen den Großvater Anzeige erstattet, verbündet dieser sich mit dem großdeutsch gesinnten Dorfpfarrer, der eine Vertagung des Verfahrens erwirkt. Levin seinerseits solidarisiert sich mit den Besitzlosen und Entrechteten; herumziehende Zigeuner ergreifen für ihn Partei und prangern das geschehene Unrecht in einer zündenden Ballade an.

Der Großvater reagiert darauf mit einer neuen Untat: Er legt Feuer an das herrenlose Haus, in dem Levin sich versteckt hält und klagt dann ihn der Brandstiftung an. In der anschließenden Gerichtsverhandlung werden Levins Zeugen als befangen abgelehnt. Da glaubwürdige - das heißt hier: deutsche - Zeugen nicht beizubringen sind, muss Levin das Dorf verlassen.

Die Unterdrückten halten jedoch weiter zusammen und erzielen sogar gewisse Erfolge; so gelingt es ihnen, einer Gruppe deutscher Nationalisten - unter ihnen der Großvater -, die im Dorfgasthof eine Schlägerei provozieren, mit vereinten Kräften Herr zu werden. Als nach diesem Vorfall die zuständigen Behörden nicht zugunsten der Deutschen eingreifen, resigniert der Großvater, verkauft seine Mühle und verlässt den Ort.

Gewandelt hat er sich nicht; er bleibt ein überzeugter Nationalist und Antisemit, der nur auf den Tag wartet, wo er wirkungsvoller zuschlagen kann. Der Erzähler gibt ihn auf - als einen hoffnungslosen Fall.

Zum Autor

Johannes Bobrowski, wurde am 9. April 1917 in Tilsit geboren und studierte in Königsberg Kunstgeschichte. 1937 siedelte er nach Berlin über, wo 1943/44 seine ersten Veröffentlichungen in "Das innere Reich" erschienen. Er kam 1945 in sowjetische Gefangenschaft. Nach dem Kriege arbeitete Bobrowski als Lektor in Ostberliner Verlagen und war seit 1959 im Union Verlag verantwortlich für Belletristik. 1961 erschien sein erster Gedichtband "Sarmatische Zeit". 1962 erhielt Bobrowski den Preis der Gruppe 47 und 1965 für seinen Roman "Levins Mühle" den Heinrich-Mann-Preis der Ostberliner Deutschen Akademie der Künste. 1965 schrieb Bobrowski den Roman "Litauische Claviere", der erst nach seinem Tod aus dem Nachlass veröffentlicht wurde. Johannes Bobrowski starb am 2. September 1965 in Berlin-Köpenick.

"Levins Mühle - 34 Sätze über meinen Großvater" im Überblick

Levins Mühle - 34 Sätze über meinen Großvater

von Johannes Bobrowski

Mit Traugott Buhre

Produktion: 2005

Sendezeit Mo, 31.08.2015 | 19:00 - 19:35 Uhr
Sendung MDR KULTUR "Lesezeit"
Radiosendung