Ein Hörspiel mit der Autorin Ilse Aichinger
Ein Hörspiel mit der Autorin Ilse Aichinger © Leo Cinezi / freeimages.com

Hörspiel

Nach dem Verschwinden - Ein fiktiver Dialog mit Ilse Aichinger

Ilse Aichinger blickt auf ein ereignisreiches Leben, eine Sammlung von Romanen, Lyrik und Hörspielen zurück - und doch möchte sie am liebsten verschwinden. Christine Nagel hat ein Hörspiel um einen fiktiven Dialog mit der österreichischen Autorin geschrieben.

Hörspiel des Monats Juni 2014 - die Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste:

Die Jury hat großen Respekt und einhellige Bewunderung für die Hörspieleinrichtung "November 1918" (NDR/SWR), basierend auf Alfred Doblins voluminösem Roman.

Norbert Schaeffer gelingt ein spannendes, liebevoll bearbeitetes, aufwändig gemachtes Hörspiel-Panorama. Dennoch hat sich die Jury entschieden, dem genuinen Hörspiel den Vorzug zu geben.

Denn zwei Literatur-Hörspiele standen sich gegenüber - zum einen die Bearbeitung eines kunstvollen, sprach mächtigen Romans, zum anderen die feinfühlige, poetische Auseinandersetzung mit einer Avantgardistin der Nachkriegsliteratur und des Hörspiels. "Nach dem Verschwinden" ist ein fiktiver Dialog mit der seit knapp zwei Jahrzehnten wieder in Wien lebenden Schriftstellerin Ilse Aichinger (*1921).

Die 1969 geborene Hörspielautorin Christine Nagel nähert sich ihr mit den Mitteln des Hörspiels, versucht, mit radiophonen Einfällen und sprachlichen Bildern dem enigmatischen Wesen und der Poesie Ilse Aichingers naher zu kommen. Das Verschwinden ist eine zentrale Metapher im Werk der österreichischen Dichterin: Wo ist man nach dem Verschwinden, was bedeutet Verschwinden?

Christine Nagel greift viele Bilder aus den Prosaarbeiten der Autorin auf, etwa den grünen Esel, der Uber die Eisenbahngleise geht, oder den Vater aus Stroh. Sie umkreist eine Art alter Ego der Autorin, deren Zwillingsschwester 1938 auf der Fahrt nach England, wo jüdische Kinder aufgenommen wurden, verschwand. Sie führt eine junge Schauspielerin ein, die auf der Suche nach Arbeit ist und die bei den Wiener Verkehrsbetrieben vorspricht, um später die Namen der Haltestellen einsprechen zu dürfen.

Auch sie ist eine Sprachsuchende, eine Spiegelnde, wunderbar gelesen von Verena Lercher. Schließlich ist es die großartige Stimme von Ilse Aichinger selbst. Sie wirkt wie die Erzählerin, sie motiviert, sie animiert. Man konnte ihr stundenlang zuhören. Wer sich dieses Hörspiel, diesen fiktiven Dialog anhört, bekommt Lust auf die Literatur der wunderbaren Ilse Aichinger.

"Nach dem Verschwinden - Ein fiktiver Dialog mit Ilse Aichinger" im Überblick

Nach dem Verschwinden - Ein fiktiver Dialog mit Ilse Aichinger

von Christine Nagel

Produktion: 2014

Sendezeit Sa, 06.09.2014 | 20:05 - 22:00 Uhr
Sendung Deutschlandfunk "Hörspiel"
Radiosendung