Das Geheimnis der Pop-Formeln

Wie ein Radiohit entsteht - Erfolg ist kein Zufall

Mit drei einfachen Akkorden rückt die Goldene Schallplatte in greifbare Nähe
Mit drei einfachen Akkorden rückt die Goldene Schallplatte in greifbare Nähe © Kimberly Vohsen / stock.xchng

2. Seite: Der beste Song wird kein Radiohit ohne Promotion

Franz Plasa, Inhaber der Home Studios in Hamburg und verantwortlich für Radiohits von hochkarätigen Künstlern wie Udo Lindenberg, Nena, Echt, Selig und Rio Reiser, sieht das anders: "Es ist Quatsch, dass Leute glauben, dass sie empirisch nachweisen können, warum etwas in der Musik funktioniert oder nicht." Plasa richtet seine musikalische Arbeit nicht an Pop-Formeln aus. Er vertraut auf sein Gefühl, auch wenn er einräumt, dass gerade im Bereich des Pop zahlreiche Songs genau die Akkordkombinationen aufweisen, die Kramarz als Erfolgsgrundlage von Radiohits identifiziert hat. Und er muss es wissen, ist er doch bereits mehrfach als musikalischer Direktor bei der Castingshow "X Factor" tätig gewesen.

Aber wie lässt sich so ein Gefühl in Faktoren abbilden? Nach Plasa kommt folgenden Kriterien eine übergeordnete Rolle zu: "Wer singt da gerade was? Wie wird der promotet? Der beste Song ist nichts, wenn das Ding nicht vernünftig bearbeitet wird. Der beste Song ist auch nichts, wenn der Künstler nicht mindestens ein bisschen was drauf hat." Mit anderen Worten: Der beste Song wird kein Radiohit ohne die richtige Promotion.

Im Grunde sieht Volkmar Kramarz das ähnlich: "Ich betrachte das immer als eine umgekehrte Pyramide und die Spitze ist die Harmoniefolge, auf die sich unendlich viel aufbaut. Es ist heute so, dass die Songs in 15 Minuten geschrieben, komponiert, zusammengestellt werden, weil man sich eigentlich nur einigen muss, welche Formel man nimmt. Aber dann braucht es ein halbes Jahr für das Video und all den ganzen Quatsch."

Das Gehirn reagiert bewusst auf bestimmte Akkordfolgen

Volkmar Kramarz kennt die Formel, aus der Hits entstehen
Volkmar Kramarz kennt die Formel, aus der Hits entstehen © Volkmar Kramarz

Doch der Musikwissenschaftler geht in seiner Argumentation einen entscheidenden Schritt weiter, wenn er behauptet, dass die beste und intensivste Reklame nicht fruchtet, sobald ein Song ohne Pop-Formel daherkommt. Beispiel: Lena Meyer-Landrut. Die junge Sängerin aus Hannover gewann 2010 mit ihrem Song "Satellite" den Eurovision Song Contest - das Stück basiert auf A-Moll, F-Dur, G-Dur. Ein Jahr später landete sie mit "Taken by a Stranger" auf Rang zehn - dem Song liegt keine der Pop-Formeln zugrunde. Gewonnen hat dagegen das Duo Ell und Nikki aus Aserbaidschan - ihr Song "Running Scared" baut wiederum auf der Four-Chords-Folge auf. Zufall?

Nein, lautet diesmal die Antwort von Volkmar Kramarz . "Es gibt schon verschiedene Untersuchungen, die aufzeigen, dass das Gehirn Wohligkeitsgefühle bei bestimmten Akkordkombinationen entwickelt", so untermauert der Musikwissenschaftler seine Thesen mit neurobiologischen Erkenntnissen. Kramarz ist eben Forscher - und seit mehr als dreißig Jahren analysiert er nun schon die Harmoniefolgen von Pop-, Rock- und HipHop-Songs. Können wir uns also gar nicht dagegen wehren, dass uns Musik gefällt, die auf den Pop-Formeln aufbaut?