Am Schlick - ein Werft-Krimi über Freundschaft, Verrat und... | Teil 3 von 3

Teil 3/3 | Zwei junge Autoren aus Sachsen widerstehen dem gängigen Narrativ der Opfergeschichte in der DDR-Nachwendegeschichte. Ihr Thriller im Hafenmilieu MV fängt die Komplexität der ostdeutschen Identität ein, mit widerständigen, nicht immer sauberen Figuren, die sich in Nischen Strukturen aufbauen.

Ein Thriller im Hafenmilieu von Mecklenburg-Vorpommern war der Plan von Lars Werner und Marcel Raabe, um die Vielschichtigkeit der aktuellen ostdeutschen Identität wiederzugeben.

Zwei aufstrebende Autoren aus Sachsen, die der Meinung sind: Oft wird die DDR-Nachwendegeschichte als Opfergeschichte dargestellt: "Wir möchten über Menschen schreiben, die widerstandsfähig sind, aber keine Wutbürger, Personen, die in ihren eigenen Nischen Strukturen aufbauen, die nicht immer aalglatt sind. Lebendige Charaktere, die in ostdeutschen Erzählungen oft fehlen."

In der mecklenburgischen Provinz hat sich dieser Lüttich eine erfolgreiche Karriere in der Werft aufgebaut. Nach dem Mauerfall blieb er in der Gegend, ohne sie je zu verlassen. Es gab nicht viele geschäftliche Möglichkeiten, aber er wollte nicht, dass andere sie übernahmen. Dabei werden Gesetze eher flexibel interpretiert.

Zusammen mit seiner Ex-Frau Mai (Yvonne Yung Hee Bormann), die Vietnamesin ist und die Kneipe "Am Schlick" führt, und seinem loyalen Kompagnon Enno (Bjarne Mädel), hat er ein überschaubares, aber funktionsfähiges Netzwerk errichtet. Besonders da sein "Zieh-Vater" (Charles Brauer), das Werft-Urgestein und Gewerkschaftschef Harry, immer ein Auge auf ihn hat und ihn beschützt.

Harry stirbt plötzlich und anfangs zögert Lüttich, sich für den Posten als Gewerkschaftsboss zu bewerben. Doch als sein Konkurrent Waldemar Brahms bei Harrys Beerdigung verspricht, "am Hafen aufzuräumen", entscheidet sich Lüttich, ebenfalls zu kandidieren, um Harrys Erbe zu bewahren. Trotz seiner Unfähigkeit als Führungskraft und finanziellen Schwierigkeiten gerät er in kriminelle Machenschaften, um die halblegalen Aktivitäten in Werft und Hafen am Laufen zu halten. Er wird abhängig von der skrupellosen Altenheim-Betreiberin Manja Gaedtke und schließt gefährliche Deals mit der Rockerin Elke und ihrer Gang.

Im Verlauf der Krimi-Hörspielserie entwickelt sich Lüttich von einem einfachen Arbeiter zu einem mächtigen Drahtzieher. Dabei werden aktuelle und historische Themen wie beispielsweise die Ereignisse in Lichtenhagen und die vietnamesische Gemeinschaft, die Auswirkungen der Treuhand-Privatisierung, die Abwanderung talentierter Frauen, die Flüchtlingskrise von 2015 und die Integration von Menschen in Deutschland in die Handlung eingewoben. Der Verlust der Heimat spielt eine zentrale Rolle und wird auf vielfältige Weise dargestellt.

Zum Autor

Marcel Raabe wurde 1978 in Dresden geboren. Er ist ein Journalist und arbeitet als (Co-)Autor von Radiosendungen. Zudem hat er an einem Dokumentarfilm über das Leben im Neubaugebiet Gorbitz in Dresden mitgewirkt. In Leipzig führt er den Verlag Trottoir Noir und beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen Untersuchung der topologischen Struktur von Erinnerungsräumen. Im Jahr 2021 gab er das Buch "Die letzten Stunden Walter Benjamins. Eine Rekonstruktion und eine Wanderung" heraus. Lars Werner wurde 1988 in Dresden geboren und ist bekannt als Autor von mehreren Theaterstücken und Hörspielen. Im Jahr 2018 erhielt er den Kleist-Förderpreis für sein Stück "Weißer Raum". Ein Jahr später wurde ihm das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste Berlin verliehen. Seine Werke wurden bereits am Theater Münster, den Ruhrfestspielen Recklinghausen und dem Staatstheater Braunschweig aufgeführt. Im Jahr 2023 veröffentlichte er bei Albino Berlin sein Romandebüt "Zwischen den Dörfern auf hundert".