Helmut Lachenmann zum 80. Geburtstag: "Das Mädchen mit den Schwefelhölzern"

Nicht Oper, sondern "Musik mit Bildern" nennt der Komponist Helmut Lachenmann sein Stück, das auf Hans Christian Andersens Märchen vom "Mädchen mit den Schwefelhölzern" basiert, aber auch Texte von RAF-Terroristin Gudrun Ensslin und Leonardo da Vinci einbezieht. Klingt radikal? Ist es auch!

Ganz viel kommt in diesem Ausnahmewerk zusammen, das man nur mit Vorbehalten eine "Oper" nennen kann.

1997 wurde dieses "Hauptwerk" des Komponisten Helmut Lachenmann in Hamburg uraufgeführt. Hier wird mit großem Bogen eine durchaus sentimentale Geschichte erzählt und bildermächtig zum Klingen gebracht. Gleichzeitig hat der Komponist politische Zeichen gesetzt, die sich freilich nicht aufdrängen, sieht man einmal von dem Auftritt der Gudrun Ensslin ab.

Doch die RAF-Aktivistin taucht hier eher als eine Verzweifelte auf und wird damit möglicherweise zu einem Paradigma des Suchens genauso wie Leonardo da Vinci, den Helmut Lachenmann ebenfalls in sein Musiktheater hereingeholt hat. "Zwei Gefühle", Angst und Neugier, zerreißen ihn fast, bevor die andere Geschichte (die von dem Mädchen mit den Zündhölzern) in eine Apotheose mündet, wie sie nur in den stärksten Stücken der Gattung Oper möglich sind.

Dieser prekäre, durchaus mutwillige epische Bogen wird nur glaubhaft durch eine Musik, die sich selbst hinterfragt und mit listigem Traditionsbewusstsein ständig neu erfindet. Lachenmann konkretisiert das Geschehen und löst es gleichzeitig in Luft auf, er komponiert, was er sieht, er öffnet neue Räume der Wahrnehmung.