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Politik

Max und Moritz

ist der Podcast zur US-Politik von Max Böhnel, nd.Korrespondent, und Moritz Wichmann, unserem USA-Spezialisten im Online-Ressort. Zusammen mit dem USA-Liebhaber (und nd.Sportredakteur) Oliver Kern sorgen sie für Er- und Aufklärung. Alle Folgen zum Nachhören auf dasnd.de/maxundmoritz

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Folgen von Max und Moritz

23 Folgen
  • Folge vom 13.10.2020
    In der riesigen rechten Blase
    Hallo Moritz, unser letztes Gespräch bevor es für dich abgeht auf Reportagereise in die USA. Und bevor du sie in persona triffst, lass uns doch noch mal über die politische Rechte in den USA reden. Viele Menschen können ja oft gar nicht verstehen, warum 40 Prozent der Amerikaner immer noch fest zu Trump stehen. Denn Sie wissen nicht, dass in den Debatten der Konservativen all seine Skandale und selbst das Coronavirus kaum eine Rolle spielen. Worüber reden sie stattdessen? Es gibt grob vier Themen, die in verschiedenen Variationen seit Monaten rauf- und runtergespielt werden. Da wäre zunächst die Kriminalität, also »Law and Order«, quasi als Antwort auf Black Lives Matter. Rechte Medien malen ein Bild, in dem Amerika bedroht ist von einer Spirale des Verbrechens in gesetzlosen Städten, die außer Kontrolle geraten. Die zweite Sache ist Corona. Erst hat man die Pandemie wie Trump verharmlost, und nach seiner Ansteckung mit dem Virus wird nun seine heldenhafte Genesung in faschistoider Ästhetik inszeniert. Das dritte Thema ist die Wirtschaft. Donald Trump selbst erwähnt immer wieder den Aktienmarkt, der dank der Hilfspakete schon wieder fast alle Verluste aus der Corona-Rezession aufgeholt hat. Was ausgeblendet wird, sind die Millionen Arbeitslosen und die große soziale Not im Land. Und viertens wird natürlich auf die Demokraten eingeschlagen. Es wird davon geredet, dass sich sozialistische und radikale Kräfte mit den Medien gegen das aufrechte, konservative Amerika verschworen hätten. Ein gutes Beispiel ist der Geheimdienstdirektor John Radcliffe – von Trump berufen natürlich. Anstatt sich um den realen rechten Inlandsterrorismus zu kümmern, veröffentlicht er lieber russische Propaganda über Hillary Clintons Emails und angeblichen Coups gegen Trump. Obwohl das nichts mit der Lebenswirklichkeit der Leute zu tun hat, findet das großen Anklang. Warum? Hier geht es um »Obama-Gate«. Das ist eine Geschichte, die Donald Trump letztes Jahr als Gegennarrativ zu den Impeachment-Untersuchungen im Repräsentantenhaus aufgebaut hat. Demnach habe die Obama/Biden-Regierung mit Clinton gemeinsam versucht, die Machtübergabe an Trump zu sabotieren mit der angeblich falschen Behauptung, dass es eine russische Einflussnahme auf Trump gegeben habe. Geheimbünde im Beamtenapparat würden hier gegen Trump arbeiten. Doch in der Tat fußt das alles nur aufgezeichneten Gesprächen russischer Geheimdienstler noch vor der Wahl 2016. Hier gibt es keinen Skandal, doch es wird dazu aufgeblasen mit angeblichen Exklusiv-Storys und Enthüllungen. Das dominierte in jenen Tagen die Berichterstattung auf Fox News, als alle anderen über Trumps Covid-Erkrankung redeten. Der TV-Sender Fox News ist nur die Spitze des Eisbergs. Der hat ein paar Millionen Zuschauer, aber es gibt noch viel mehr im rechten Universum. Richtig. Da wurde über Jahrzehnte eine Parallelrealität konstruiert, vor allem online. Von den zehn meist gelesenen Facebook-Posts in den USA sind fast immer sieben, oder acht von rechten Youtubern, Influencern, von Fox News oder Donald Trump selbst. Das ist eine riesengroße rechte Blase, in die es sehr schwierig ist einzudringen. Neben Trump gibt es noch andere fragwürdige Politiker. Auf die Angst der Demokraten, Trump könnte das Ende der US-Demokratie bedeuten, antwortete Senator Mike Lee aus Utah kürzlich, Die USA seien gar keine Demokratie. Was sollte das bedeuten? Lee ist ein Hardcore-Rechter und twitterte dies tatsächlich nach der ersten TV-Debatte. Für ihn sind die USA eine konstitutionelle Republik. Und Ziel sei eben nicht die Demokratie, sondern Freiheit, Frieden und Wohlstand. Das verbreiten die Republikaner schon seit Jahrzehnten: Wohlstand ist wichtiger als die Volksherrschaft. Das basiert auf einer Vorstellung, die noch aus dem 19. Jahrhundert stammt. Demnach wählen nur Leute, denen das auch zusteht: damals die wohlhabenden Männer, aber keine Frauen, Armen oder Minderheiten. Und jetzt wird eben ehemaligen Kriminellen mancherorts das Wahlrecht verwehrt. Politikwissenschaftler nennen das institutionelle Minderheitenherrschaft. In diesem Fall die Herrschaft weißer Rassisten, die Angst haben vor einem braunen und schwarzen Amerika. Das Wahlsystem ist immer noch auf Grund regionaler Gegebenheiten so angelegt, dass Joe Biden national mit knapp drei Prozentpunkten Vorsprung gewinnen muss. Im Senat ist es noch schlimmer. Da müssen die Demokraten mit sechs bis sieben Prozent vorn liegen, um mehr Sitze zu bekommen, weil ihre Klientel in den Städten weniger stark vertreten ist als die Weißen auf dem Land. Auch am Obersten Gerichtshof haben die Konservativen bald wohl eine 6:3-Mehrheit. Trumps Kandidatin Amy Coney Barrett stellte sich diese Woche im Senat vor. Auch das ist ein großes Thema bei den Republikanern. Das liegt daran, dass die Präsidentschaft Donald Trumps mit Ausnahme von Steuersenkungen kaum erfolgreich war. Bei der Neubesetzung von Richterstellen an Bundesgerichten aber war sie es. Coney Barrett wäre schon Trumps dritte Besetzung am Supreme Court. Da die Richter auf Lebenszeit ernannt werden, könnte das Ungleichgewicht vielleicht sogar dreißig Jahre anhalten. Die evangelikalen Christen hoffen darauf, dass der Supreme Court zum Bollwerk gegen die gesellschaftliche Modernisierung wird und zum Beispiel Abtreibungen wieder verbietet. Auch an Gerichten auf unteren Ebenen hat Trump 194 Richterstellen neu besetzt. Wenn die Wahl knapp ausgeht, hofft er sicher, dass genau diese Richter ihm am Ende auch zum Sieg verhelfen werden. Nun gibt es am äußersten rechten Rand noch gruseligere Figuren als Trump. Stichwort Q-Anon. Übernehmen die jetzt die republikanische Partei? Das weiß ich nicht, aber sie haben immer mehr Einfluss. QAnon ist eine abstruse Verschwörungstheorie, nach denen eine Elite aus Politikern, Wirtschaftsbossen und Wohlhabenden Kinder in geheime Bunker entführt und aus ihnen ein Serum zur ewigen Jugend gewinnt. Und Donald Trump geht angeblich dagegen vor. Er selbst glaubt wohl nicht daran, aber er verbreitet das Zeug mit Hunderten Retweets. Außerdem haben sich 24 QAnon-Anhänger bei den Vorwahlen durchgesetzt und könnten nun ins Repräsentantenhaus einziehen. Viele treten in erzkonservativen Bezirken an und haben tatsächlich sehr gute Chancen. Gibt es am anderen Ende des konservativen Spektrums auch eine Absetzbewegung in Richtung der politischen Mitte und weg von Trump? Tatsächlich tritt das so langsam ein, allerdings nur bei einigen Kandidaten für den US-Senat. Sie stecken in sehr engen Rennen und distanzieren sich etwas vom Coronakurs des Präsidenten. Sie appellieren an Wähler, die Trump nicht ausstehen können, trotzdem für sie zu stimmen, um als Kontrolle zu dienen, sollte Joe Biden Präsident werden. 1996 hat das bei der Wiederwahl von Bill Clinton bei einigen Senatoren geklappt. Vermutlich wird es diesmal aber nicht funktionieren, weil Trump nicht der Herausforderer, sondern Amtsinhaber ist. Aber das ist so eine Frage, die bis zum Wahlabend offen bleiben wird. Und das selbst für Experten wie Max und Moritz. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch Fragen haben, schreiben Sie sie am besten schnell an podcast@nd-online.de. Max und Moritz werden diese mit etwas Glück schon in der nächsten Folge beantworten.
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  • Folge vom 09.10.2020
    Donald Trump hat kein Mitleid verdient
    Lieber Max, Donald Trump hat sich das Coronavirus eingefangen. Welch Überraschung! Er sagt, ihm geht es wieder gut. Sein Arzt sagt das auch. Aber was glauben die Amerikaner? Trumps eingeschworene Fans nehmen ihm sowieso alles ab, also auch, dass er über das Gröbste hinaus sei. Aber die sind nicht die Mehrheit. Die Mehrheit der Amerikaner ist skeptisch. Trump hat immerhin schon ungefähr 25.000 mal gelogen in fast vier Jahren Amtszeit. Die Leute fragen sich: Wie kann einer, der vor einer Woche mit Sauerstoff versorgt und mit hohem Fieber ins Krankenhaus eingeliefert wurde, kurz darauf so weitermachen wie bisher? Vollgepumpt mit Steroiden und Versuchsmixturen! Und was diesen Mediziner angeht: Der Mann ist Militärarzt und Trump sein oberster Befehlshaber. Der Arzt lässt nichts verlautbaren, was Trump ihm nicht vorher diktiert hat. Was aber am meisten skeptisch macht, sind die Twitter-Tiraden von Trump: 40 Tweets in wenigen Stunden schickte er raus, als er wieder im Weißen Haus war, darunter die Aufforderung an den Justizminister, endlich Hillary Clinton zu verhaften. Erkrankte oder verletzte Präsident im Amt profitierten oft von einem Mitleidsbonus. Trump aber nicht. Warum? Weil er so offensichtlich ein Narzisst ist, vom Größenwahnsinn besessen, dass er jedes Mitleid als Schwäche von sich weisen würde. Er gibt sich als Superman. Und man kann sich auch nicht daran erinnern, dass er selbst mal Mitleid mit jemandem gezeigt hätte. Im Gegenteil, er hat wahrscheinlich selbst Hunderte mit Covid-19 angesteckt und läuft noch immer ohne Maske durchs Weiße Haus. Nee, der hat kein Mitleid verdient. Dabei sagt er doch, er habe viel gelernt in diesen Tagen über Corona. Trotzdem beschwört er die Menschen, sie sollten keine Angst davor haben. Und er kommt sogar wieder mit den alten Grippevergleichen. Glauben ihm die Amerikaner? Man kann nicht von »den Amerikanern« sprechen. Die Meinungen sind gespalten. Die Amerikaner sind kein einheitlicher Block. Ich befürchte allerdings auch, dass mancher ihm am Ende glaubt, wenn er nachweislich geheilt sein sollte und sich als Bezwinger von Corona darstellt. Kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus jagte Trump den Dow Jones per Tweet in den Keller, als er die Verhandlungen mit den Demokraten über ein Rettungspaket auf die Zeit nach der Wahl verschob. Millionen können ihre Miete nicht zahlen, verlieren ihre Jobs und ihre Krankenversicherung. Die brauchen staatliche Hilfen. Und er sagt einfach: Stopp. Das kann doch nicht klug sein. Ich denke, das sind Nebenwirkungen dieser Drogenmixturen. Und das ist kein Witz mehr. Zuerst beendet er die Verhandlungen abrupt. Dann bricht der Aktienmarkt ein, und ein paar Stunden später twittert er dann das Gegenteil. In der Nacht zu Donnerstag trafen sich die Vizepräsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Mike Pence. Diese TV-Debatte ist normalerweise nur so semi-wichtig. Jetzt aber spekulieren viele, was passiert, wenn der alte weiße Mann an der Spitze stirbt? Wer konnte nun am besten zeigen, dass sie oder er den Job sofort übernehmen könnten? Beide. Sie sind ja Berufspolitiker. Pence war Gouverneur in Indiana und Harris Justizministerin von Kalifornien und nun Senatorin. Im Gegensatz zu Trump können sie auch Gedanken in normale Sätze fassen. Inhaltlich hat die Debatte den Wahlkampf aber nicht in eine neue Richtung lenken können. Pence wirkte salbungsvoll, aber auch heuchlerisch. Er hatte große Mühe, Trump zu verteidigen. Harris dagegen kam als kompetent rüber, als sehr kluge Denkerin, und die Demokraten führen daher weiterhin in den Umfragen. War das die letzte Debatte? Eigentlich sollen ja Trump und Biden noch zweimal aufeinandertreffen. Aber daran bestehen große Zweifel. Geplant ist ein weiteres Duell am 15. Oktober, und dann noch eins die Woche drauf. Biden hat aber gesagt, dass er gegen eine Debatte mit Trump ist, solange der noch mit dem Virus infiziert ist. Wie lange das der Fall ist, werden wir erst in den kommenden Tagen erfahren. Nun ja, zumindest wenn man Trump und seinem Arzt glauben will.
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  • Folge vom 02.10.2020
    Einfach mal Mikro aus!
    Hallo Max! Wir müssen – wohl oder übel – über die Präsidentschaftsdebatte aus der Nacht zum Mittwoch sprechen. Auch wenn sie mit einer zivilisierten Diskussion nicht viel zu tun hatte, bestimmt sie ja trotzdem die Schlagzeilen in den USA. Nach solchen Debatten gibt es immer Blitzumfragen. Wer hat das Duell gewonnen? Das kann man nicht sagen. Kurz nach so einem einschneidenden Ereignis sollte man nicht mit einem fundierten Umfrageergebnis rechnen. Auf Twitter wurden mehrere »Umfragen« gemeldet, in denen Trump vorne lag. In Blitzumfragen großer Fernsehsender hielt eine Mehrheit Biden für den Sieger. Aber was heißt schon Sieger? Ich glaube, es dürfte kaum einen Trump-Fan geben, der sagen würde: Trump hat verloren. Und ich glaube auch, es gibt keinen Demkokraten, der das von Biden sagen würde. Man müsste also Menschen fragen, die noch unschlüssig sind, wen sie wählen wollen. Aber die muss man mit der Lupe suchen. Allen war vorher klar, Trump liegt seit Monaten in der Wählergunst hinten und muss aufholen. Kann er das mit dieser Vorstellung geschafft haben? Nein, auf keinen Fall. Denn das würde ja bedeuten, dass er Zweifler oder gar Biden-Anhänger auf seine Seite gezogen hätte. Das kann man ausschließen. Eine andere Frage wäre, ob Trump Nichtwähler überzeugen konnte, jetzt wählen zu gehen. Auch das glaube ich nicht. Welcher Nichtwähler würde sich ausgerechnet so eine Debatte anschauen? Und das auch noch über 90 Minuten lang! Biden liegt seit Langem vorn und musste nur Fehler vermeiden. Ist ihm das gelungen? Er wurde ja von Trump seit Wochen als senil und unzurechnungsfähig gezeichnet. Deshalb habe er sich angeblich auch in seinem Keller versteckt, anstatt Wahlkampfreden vor Anhängern zu halten. Das war der Eindruck, den Trumps Leute vermitteln wollten. Nun ist Joe Biden tatsächlich alt, das sieht man ihm auch an. Und er verhaspelt sich oft. Aber als einer, der manchmal Zahlen durcheinanderbringt und über den eigenen Satz stolpert, ist Joe Biden seit Jahrzehnten in den USA bekannt. Das hat er auch wieder bei dieser TV-Debatte gemacht. Aber es war eben nichts Neues. Trump bezeichnet Biden außerdem seit langem als »Sleepy Joe«, was ich nie für besonders treffend hielt. Die Messlatte hatte Trump vor der Debatte also sehr sehr niedrig gelegt. Und natürlich ist Biden nicht vor laufender Kamera eingeschlafen. Auf der anderen Seite ist er trotz der vielen Angriffe und Beleidigungen von Trump nie ausgerastet. In keine dieser Fallen tappte Biden. Er hat die Contenance behalten. Bei besonders verrückten Ausfällen von Trump hat er sogar einfach nur gelächelt. Auch wenn es nach solch einer Debatte schwerfällt, auf inhaltliche Themen einzugehen: Trump hat versucht, seinen Gegner von den Demokraten in eine linke Ecke zu drängen. Biden hat aber explizit die Forderungen des progressiven Flügels abgelehnt: der Polizei Geld zu entziehen, die Abschaffung von privaten Krankenversicherungen, der Green New Deal. War das die richtige Strategie? Den Progressiven bei den US-Demokraten ist längst bewusst, dass Biden für den zentristischen Mainstream-Flügel der Partei steht. Diese Absagen, etwa an den Green New Deal, waren für sie also nichts Neues. Bei einem Großteil der Linken herrscht mittlerweile die Auffassung, dass Biden gegenüber Trump das kleinere Übel ist, und dass man ihn eben wählen muss. Linke verprellen kann Biden nicht mehr, glaube ich. Neu war das alles eher für Konservative. Trump behauptet immer wieder, dass Biden eine Marionette von Sozialisten sei. Vielleicht hat Bidens Distanzierung bei einigen Rechten sogar Zweifel ausgeräumt, und sie wählen ihn jetzt. Dann wäre das ja gut. Kurz vor der Debatte veröffentlichte die »New York Times« Einkommenssteuererklärungen von Donald Trump. Demnach hat er in 15 der letzten 20 Jahre nichts gezahlt, und 2016 sowie 2017 nur 750 Dollar, also viel weniger als Krankenschwestern, Feuerwehrleute oder Busfahrer. Viele haben erwartet, dass Biden das ausnutzen kann. Hat er meiner Ansicht nach aber nicht gemacht. Ich denke auch, Biden hätte Trump hier mehr angreifen können. Aber solche Attacken wären bei Trumps Anhängern ohnehin auf taube Ohren gestoßen. Die pflegen die Denkweise: Wer will denn nicht sein Geld behalten und die Steuer bescheißen? Trump ist für sie ein Fuchs, und sie hätten auch gern seinen Steuerberater. Außerdem kümmern sie Trumps Steuern nicht, sondern nur ihre eigenen. Dennoch hatte man schon den Eindruck, dass Biden anfangs kaum eigene Akzente setzte und überrumpelt wirkte von dem ständigen Chaos, das Trump verbreitete. Ja, das fand ich auch. Da war Biden sehr defensiv und ließ sich vom Rüpel überfahren. Ich dachte mir, bei manchen Zuschauern ist der Inhalt nicht so wichtig. Die wollen nur sehen, wer mehr Energie ausstrahlt, und das war eindeutig Trump. Könnte schon sein, dass er hier gepunktet hat. Das ganze Format TV-Duell und die Sprache, die damit kommuniziert wird – Zweikampf, Gewinner, Sieger, Durchhaltevermögen – das ist wie Leistungssport. So ein Format begünstigt von vornherein den Jüngeren, den Mächtigeren und den Aggressiveren. Und das ist Trump. Er ist ein Meister des Reality-TV und beherrscht dessen Regeln. Er war 14 Jahre die Hauptfigur in der Show »The Apprentice«. Ich glaube also, er kam möglicherweise als Sieger in seiner eigenen Reality-TV-Show rüber. Die Mehrheitsmeinung war aber, dass dies die hässlichste und am wenigsten informative Debatte der Geschichte war. Manche fordern nun, dass Biden an den zwei weiteren Debatten nicht mehr teilnehmen sollte. Wäre das politisch klug? Schon vor der ersten rieten ihm einige Demokraten davon ab, sich auf eine Bühne mit Trump zu stellen. Aber eine Nichtteilnahme wäre von Trump ausgeschlachtet worden als feiges Kneifen, als »Verstecken der Senilität« von Biden. Jetzt hat er nachgewiesen, dass er nichts verstecken muss. Würde er nun also sagen, so ein Theater mache ich nicht noch mal mit, wäre das eher verständlich. Ob es politisch klug wäre, ist schwer zu sagen, denn Trump würde ihn trotzdem kritisieren, und Biden wäre gezwungen zu reagieren. Als faschistoider Rechtspopulist weiß Trump genau, wie man ein Medienspektakel inszeniert. Er gedeiht und blüht im Chaos auf. So was lässt sich politisch nicht kalkulieren. Wenn Biden also doch weitermacht, wie kann er verhindern, dass Trump wieder so die Initiative an sich zieht? Die Kommission, die diese TV-Debatten organisiert, hat unmittelbar nach diesem Skandal angekündigt, die Regeln zu verstärken und umzuschreiben. Was das genau bedeuten soll, wurde noch nicht ausgeführt. Sinnvoll wäre: Wenn ein Kandidat redet, wird dem anderen das Mikro abgedreht. Manche Beobachter meinten vor dem ersten TV-Duell, es sei Trumps letzte Chance aufzuholen. Bis zum zweiten Mitte Oktober werden vermutlich schon 30 Millionen Wähler ihre Stimme abgegeben haben. Womit könnte er das Ding jetzt noch rumreißen? Wären das normal verlaufende Wahlen, würde also jede Stimme zählen, würde Trump auf jeden Fall abgewählt werden. In den Umfragen führt Biden seit Monaten konstant. Aber das sind ja keine normal verlaufenden Wahlen. Trump hat schon offen angekündigt, dass er die Wahlen anzweifeln wird, sollte er nicht gewinnen. Ich kann mir vorstellen, dass er vor Gericht geht und sich selbst zum Sieger erklärt. Erschreckenderweise hat er in der Debatte an neofaschistische Schlägertypen unter seinen Anhängern appelliert, sich bereitzuhalten: »Stand back and stand by!«, hat er gesagt. Eigentlich ein Militärbefehl: »Haltet euch zurück und haltet euch bereit!« Wenn er das Schiff noch mal wenden kann, dann mit undemokratischen Methoden. Und indem er Chaos sät und mit Gewalt droht.
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  • Folge vom 19.09.2020
    Donald Trump mit Problemen beim »cash flow«
    Hallo Moritz, keine 50 Tage mehr bis zur Präsidentenwahl, also lass uns mal über den aktuellen Stand reden. Überall liest man ja: Donald Trump holt auf. Stimmt das? Wenn dann nur minimal im Vergleich zum Frühsommer. Seit Joe Biden vor gut 500 Tagen seine Präsidentschaftskandidatur erklärt hat, lag er im Direktvergleich mit Trump immer vorne, im Durchschnitt mit etwa fünf Prozentpunkten. Als dann das Coronavirus kam und im Anschluss die Black-Lives-Matter-Proteste, stieg der Vorsprung im Juni und Juli auf neun Prozent. Von dort ist er jetzt wieder etwas zurückgegangen. Grundlegend hat sich also nicht viel verändert, was sehr beeindruckend ist. Im Vergleich zu allen US-Wahlen vorher ist die Stimmung in den USA geradezu zementiert. Kommt mir auch so vor. Sonst lag ja mal der eine vorn, dann wieder die andere. Diesmal nicht. Richtig, auch die Parteitage haben kaum Bewegung ins Rennen gebracht, was sonst zumindest kurzfristig immer passiert. Trump hat weiterhin schlechte Zustimmungswerte, doch im Vergleich zu 2016 schafft er es diesmal nicht, seinen Gegner ebenfalls mit runter zuziehen und dafür zu sorgen, dass die Wähler Biden genauso schlimm finden wie ihn selbst. Auch bei seinem Law-and-Order-Wahlkampf schafft es Trump nicht, die Schuld an Ausschreitungen Biden zuzuschieben. Ist ja auch logisch, es passiert ja alles unter Trumps Präsidentschaft und Biden trägt gerade keine politische Verantwortung. Trotzdem zog Trump 2016 erst ganz am Ende an Hillary Clinton vorbei. Warum wird ihm das diesmal schwerer fallen? Damals war er schon in den Monaten vorher immer mal knapp dran an Clinton, das hat er 2020 noch nicht geschafft. Es gibt auch viel weniger noch unentschiedene Wähler (13 statt 19 Prozent). Und unter den Stimmberechtigten, die keinen der Kandidaten mögen, würde sich diesmal laut Umfragen eine Mehrheit für Biden entscheiden. 2016 gewann Trump sehr viele davon. Ein weiterer Unterschied ist, dass Joe Biden in vielen umkämpften Bundesstaaten – anders als Clinton damals – nah an der 50-Prozentmarke ist, manchmal sogar drüber. Kaum einer will also für kleine Drittpartei-Kandidaten stimmen. Das ist besonders wichtig: Wenn Biden erst mal über 50 Prozent liegt, kann ihn Trump auch mit allen noch unentschlossenen Wählern nicht mehr einholen. Viele gute Nachrichten von den Demoskopen für die Demokraten. Dazu kommen auch gute Zahlen bei den Wahlkampfspenden. Trump hingegen hat hier Probleme. Ja, es gibt Berichte, dass der Präsident seit Anfang 2019 zwar mehr als eine Milliarde Dollar eingesammelt hat, einen Großteil davon aber dafür nutzte, wieder Fundraising zu betreiben, also neue Spenden zu akquirieren. Insgesamt wurde wahnsinnig viel Geld verbrannt: 800 Millionen Dollar hat Trump schon ausgegeben! Und jetzt fehlt ihm Geld in mehreren Swing-States, um dort die teure TV-Wahlwerbung zu bezahlen. Wer sechs Wochen vor der Wahl in einem halben Dutzend Staaten plötzlich komplett vom Bildschirm verschwindet, hat ein Problem. Sein Team behauptet, dafür im Internet verstärkt auf digitale Werbung zu setzen. Kann das reichen? Ich glaube nicht. Digital hat Trump sicher aktuell einen Vorteil, aber auch da holen die Demokraten auf. Trump versucht ansonsten, auf freie Medienzeit zu setzen. Er ist der Präsident – wenn er etwas sagt, berichten die Medien darüber. Also ist Geld nicht alles, Clinton hatte 2016 auch viel mehr Geld ausgeben und dennoch verloren. Wie kann Trump denn noch gewinnen? Grundsätzlich haben die Republikaner einen kleinen Vorteil im Electoral College, dem komplizierten Wahlmännersystem der USA. Wenn Bidens Vorsprung also auf zwei bis drei Prozent sinkt, dann muss er nervös werden. Auch Clinton hatte ja knapp drei Millionen Wähler mehr, aber ungünstig auf die einzelnen Bundesstaaten verteilt. Richtig. Um den Rückstand zu verringern setzt Trump derzeit auf Latinos, eine wachsende Wählergruppe. Laut Umfragen würden sie noch vermehrt für Biden stimmen, aber nicht in dem Ausmaß wie 2016 für Clinton. Speziell in Florida versucht Trump viele Exilkubaner für sich zu gewinnen, und dort ist es immer knapp. Nur mit Florida auf seiner Seite hat Trump eine Chance im November. Seine Law&Order-Strategie könnte natürlich auch noch erfolgreich sein, wenn er genügend Weißen aus unteren Bildungsschichten Angst machen und ihren Rassismus ansprechen kann. Unter denen gibt es viele Nichtwähler, also auch noch viel Potenzial. Das Problem für Trump ist, dass sowohl Latinos, also auch diese Weißen nur sehr schwer zu mobilisieren sind. Der Journalist Bob Woodward hat Interview-Mitschnitte veröffentlicht, in denen Trump zugibt, die Gefahr der Pandemie heruntergespielt zu haben. Könnte das zum »Sargnagel« für den Präsidenten werden? Diese Präsidentschaft ist eine einzige Kette von Skandalen, und nie hat einer davon wirklich großen Einfluss gehabt, weil das Land schon zuvor so stark polarisiert war. Aber vielleicht sind wir auch etwas zu zynisch, denn manche Dinge haben schon Einfluss. Es gibt Umfragen, denen zufolge 15 Prozent der Trump-Anhänger nach den Aussagen nun Biden unterstützen wollen. Aber dieser Effekt kann schnell wieder verfliegen, wenn Trump mit dem nächsten Skandal die Leute am Ende für alles taub macht. Er versucht es gerade mit Friedensverträgen im Nahen Osten. Hilft ihm das vielleicht? Nein. Die US-Amerikaner interessieren sich nicht für Außenpolitik, außer ihre Söhne und Töchter sollen in einen großen Krieg ziehen. Aktuell sind die Wirtschaft, die Coronakrise, die Proteste gegen Polizeigewalt und vielleicht noch die Klimakrise mit den Bränden an der Westküste die wahlentscheidenden Themen. Die Demokraten warnen gerade vor einer »red mirage«. Das betrifft irgendwie den Ablauf des Wahlabends. Was verbirgt sich hinter dieser Roten Fatamorgana? Es ist die Theorie, dass am Wahlabend zuerst nur die Stimmen ausgezählt werden, die im Wahllokal abgegeben wurden, und in den Tagen danach alle Briefwahlstimmen. Weil Trump seine Anhänger ständig die Briefwahl ausredet, viele Demokraten die aber nutzen wollen, könnte Trump am Wahlabend in vielen Staaten vorn liegen. Die politische Landkarte würde sich rot färben, das ist die Farbe der US-Republikaner. Und der Präsident würde sich dann früh am Wahlabend einfach zum Sieger erklären. Seine Basis von 40 Prozent der US-Bürger könnte das glauben und ihn für den legitimen Präsidenten halten, selbst wenn Joe Biden ihn in den Tagen danach langsam überholt. Für den Fall befürchten viele Beobachter Demonstrationen und Gewalt auf den Straßen. Kann das wirklich so kommen? Ich glaube, dass allein die alarmistischen Warnungen davor schon einiges davon verhindern. Die lokalen Wahlleiter stellen sich derzeit auf eine Rekordzahl an Briefwahlstimmen ein. Nur 15 Staaten erlauben keine Auszählung der Briefwahlzettel vor dem Wahltag. Das heißt, dass es in vielen anderen Staaten gemacht werden kann. Und in den Staaten, wo es nicht geht, werden die Medien hoffentlich vorsichtig sein, jemanden zum Sieger zu erklären, wenn noch nicht genügend Stimmen ausgezählt sind. Es dürfte dann einfach länger dauern, vielleicht mehrere Tage, bis der Sieger feststeht. Analysten sagen aber auch: Wenn Biden am Wahlabend Florida gewinnt, und Florida ist gut in der Auszählung von Briefwahlstimmen, dann ist die Sache so gut wie entschieden. Denn in dem Fall gewinnt er mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in vielen anderen Swing-States. Für Trump ist Florida ein Must-Win-State, für Biden ist es »nice to have«. Er hat viele Wege um auf die nötigen 270 Wahlmännerstimmen zu kommen. Bisherige Folgen von Max & Moritz: Das Comeback von Joe Biden am Super Tuesday Wie das Coronavirus den Wahlkampf verändert hat Was das vom US-Kongress beschlossene Hilfspaket gegen die Coronakrise enthält Wie die Coronakrise das tödliche Wirken des freien Marktes zeigt Wie die Republikaner Coronavirus zur Wählerunterdrückung nutzen Warum Bernie Sanders wieder nicht gewonnen hat Leere Rhetorik oder Zugehen auf Parteilinke? Krankenversicherung in den USA - Arztbesuch nur mit Kreditkarte »Das radikalisiert«: Die Rekordarbeitslosigkeit in den USA wird Folgen haben Was macht eigentlich Joe Biden? Wahlkampf aus dem Keller! 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