Abfall von allen: Die Stadt, der Müll und die Moral

Abfälle sind nicht einfach nur Müll – sie sind ein Spiegelbild der sozialen Ungerechtigkeiten. Wer produziert diese Abfälle und wer trägt dafür die Verantwortung? Während Wohlhabende ihre Hinterlassenschaften vorteilhaft verstecken, kämpfen benachteiligte Gegenden mit dem Makel der Verschmutzung.

Müll ist unerfreulich und mitunter gefährlich, aber vor allem wächst seine Menge stetig. Doch ab wann wird etwas wirklich zu Müll? Und welchen Bezug hat Müll zu finanziellen und moralischen Aspekten? Er ist uns sowohl vertraut als auch unglaublich fremd: Beim Auslecken des Joghurt-Deckels oder beim Trennen von Abfällen haben wir die Kontrolle. Doch wenn es um die Endlagerung von radioaktiven Abfällen geht, wird er zu einem bizarren, schwer fassbaren Problem.

Während Recycling praktikable Lösungen für die Konsumgesellschaft sucht, verhärten sich auf sozialer Ebene die Konflikte: Müll wird zum Thema der Ethik. Abfallsheriffs und Abfallwächter nutzen Nachtsichtgeräte, um Müllsünderinnen und -sünder zu fassen, und Städte verhängen drakonische Bußgelder. Dabei wird übersehen, dass Müll eine Frage der sozialen Schichten ist: Wer es sich leisten kann, lässt andere ihren Müll entsorgen, während vor allem ärmere Viertel als schmutzig gebrandmarkt und deren Einwohner als unethisch abgestempelt werden.

Dabei sind es häufig die Wohlhabenden, die am meisten Abfall erzeugen. Der Umgang mit Abfällen legt seit jeher soziale Ungleichheiten offen: Wo und von wem Müll produziert, gesammelt und entsorgt wird, zeigt die wachsende Kluft und den hemmungslosen Machtanspruch.

Henriette Hufgard ist in ihrer Arbeit als Philosophin und Kunsthistorikerin besonders darauf fokussiert, den Zusammenhang von Kunst und Philosophie innerhalb kolonialer Machtstrukturen zu untersuchen. Sie studierte in München und Rom und promoviert gegenwärtig an der Freien Universität Berlin. Im Jahr 2023 brachte sie das Buch "ausgeklammert – Die Philosophinnen der Frankfurter Schule" heraus, das die Ausgrenzung weiblicher Denkweisen beleuchtet. Zudem schreibt Hufgard regelmäßig für die taz sowie den Karuna Kompass.