Warum setzte Erich Apel ausgerechnet an dem Tag, an dem ein großes Wirtschaftsabkommen mit den Sowjets unterzeichnet werden sollte, seinem Leben ein Ende?
Warum setzte Erich Apel ausgerechnet an dem Tag, an dem ein großes Wirtschaftsabkommen mit den Sowjets unterzeichnet werden sollte, seinem Leben ein Ende? © freeimages.com

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Als ein Schuss fiel im Politbüro: Erich Apel - Warum der DDR-Wirtschaftsstratege aus dem Leben schied

Erich Apel wurde in der jungen DDR für seine Wirtschafts- und Managementkompetenz geschätzt. Er stieg bis zum Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission auf. Doch als er das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung (NÖSPL) mitentwickeln soll, sinkt sein Stern. Am Ende begeht er Selbstmord.

Erich Apel kannte sich mit Großprojekten aus. Als Mitarbeiter des Raketenspezialisten Wernher von Braun hat er in Nazideutschland an Hitlers Wunderwaffe V2 mitgebaut.

In der noch jungen DDR wird die Wirtschafts- und Managementkompetenz des Maschinenbauingenieurs geschätzt. Der 1917 geborene Arbeiterjunge steigt zum Vorsitzenden der Staatlichen Plankommission auf.

Unter Ulbricht entwickelt er einen neuen ökonomischen Kurs, der das Land wirtschaftlich besserstellen soll. Doch es regt sich Widerstand gegen dieses innovative Konzept der Wirtschaftsführung, das den Einfluss der Partei in den Betrieben beschneiden und Eigenverantwortung fördern will. Auch die sowjetischen Kader zeigen sich von den Reformideen wenig begeistert.

Bei den Verhandlungen des zentralen Wirtschaftsvertrags mit den Sowjets beißt Apel auf Granit. Er verliert auch den Rückhalt in der DDR-Führung: Sein neuer Fünfjahresplan wird vom Politbüro abgelehnt. Sogar sein Freund Günter Mittag, der das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung (kurz: NÖSPL) mitentwickelt hat, wechselt auf die Seite der Kritiker.

Die Sowjets stellen Apel ein Ultimatum zur Unterzeichnung des Handelsvertrags von 1966 bis 1970 - bis zum 3. Dezember 1965, 11.00 Uhr. Eine Stunde vor Ablauf jagt er sich eine Kugel in den Kopf.

Zwei Wochen später wagt sich der ansonsten eher hasenfüßige Honecker aus der Deckung und avanciert zur Hauptfigur auf dem 11. Plenum. Das war eigentlich als Wirtschaftsplenum gedacht.

Über Nacht wird die Richtung geändert: Nun geht es um Kulturpolitik und es wird abgerechnet - 12 Filme des DEFA-Jahrgangs 1965 werden verboten, unter anderem "Das Kaninchen bin ich" nach Manfred Bielers Roman, zahlreiche weitere Projekte werden abgebrochen, Theaterinszenierungen abgesetzt, Beatgruppen aufgelöst. Und Honecker bringt sich als Protagonist des sogenannten "Kahlschlagplenums" für die Ulbricht-Nachfolge ins Spiel.

Zum Autor

Dr. Matthias Eckoldt, geboren 1964 in Berlin, promovierte über Systemtheorie und Machtanalytik. Heute lebt er als Schriftsteller und Dozent in Berlin. 2000 erschien sein Roman "moment of excellence", 2007 legte er eine systemtheoretische Abhandlung "Medien der Macht - Macht der Medien" vor. 2009 folgte der Erzählband "Topidioten". Er lehrt als Schreibdozent an der Freien Universität und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten für den Rundfunk.

"Erich Apel - Warum der führende DDR-Wirtschaftsstratege aus dem Leben schied" im Überblick

Erich Apel - Warum der führende DDR-Wirtschaftsstratege aus dem Leben schied

von Matthias Eckoldt

Produktion: 2015

Sendezeit Mi, 25.11.2015 | 19:00 - 20:00 Uhr
Sendung radio3 "Feature"
Radiosendung