Die Britin Julia R. Kelly erzählt in ihrem unterhaltsamen Debütroman «Das Geschenk des Meeres» von der heilenden Kraft der Empathie. Und der 96-jährige Jahrhundertzeuge Paul Lendvai warnt in seinem historisch interessanten Lebensbericht vom Wiedererstarken des Totalitarismus.
Das Meer kann für uns Menschen manches bedeuten: Sehnsuchtsort, Gefahr oder auch mythisch aufgeladenes Geheimnis. Mit diesen verschiedenen Bildern spielt der berührende Debütroman «Das Geschenk des Meeres» der Britin Julia R. Kelly. Das Buch erzählt von einem schottischen Fischerdorf um das Jahr 1900. Dort gerät das soziale Gefüge durcheinander, nachdem ein Junge in den Fluten ertrunken ist und ein paar Jahre später plötzlich wieder auftaucht. Was ist damals wirklich geschehen? Der Roman erzähle von Hass und Hader, Lebenslügen und Selbstverleugnung - und von der heilenden Kraft der Empathie, sagt Felix Münger.
Paul Lendvai ist Journalist und Jahrhundertzeuge. Geboren 1929 als Sohn jüdischer Eltern überlebte er den Holocaust und die stalinistische Diktatur. Nach dem Einmarsch der Russen floh er nach Wien, wo er einer der führenden Journalisten des Landes wurde. In seinem neusten Buch beschreibt der 96-jährige seine drei Identitäten (die jüdische, die ungarische und die österreichische) und er warnt vor einem Wiedererstarken des Totalitarismus. Ein enorm wichtiges Buch in Zeiten politischer Radikalisierung und systematischer Schwächung der Demokratie, findet Literaturredaktor Michael Luisier.
Buchhinweise:
Julia R. Kelly. Das Geschenk des Meeres. Aus dem Englischen von Claudia Feldmann. 350 Seiten. mare, 2025.
Paul Lendvai. Wer bin ich? 120 Seiten. Zsolnay, 2025.
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Der Literaturstammtisch im «BuchZeichen» gibt Buchempfehlungen, macht Lust aufs Lesen und bietet gute und intelligente Unterhaltung. Zur Sprache kommen aktuelle belletristische Werke, Klassiker und auch Sachbücher. Bestseller, Reiseberichte, Gedichtbände - hier hat alles Platz.
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Folge vom 21.10.2025Aktuelle Buchempfehlungen: Die Notwendigkeit von Empathie
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Folge vom 14.10.2025Aktuelle Buchempfehlungen: Ein Wunder der NaturDie Pulitzer-Preisträgerin Josephine Johnson hat vor Jahren ein Wunder von einem Buch geschrieben: «Ein Jahr in der Natur». Und ebenfalls um ein Wunder der Natur geht es im neuen Buch der deutschen Schriftstellerin Verena Güntner. Ihr neuer Roman «Medulla» handelt von einer Schwangerschaft. Die US-Amerikanerin Josephine Johnson bekam 1935 mit nur gerade 24 Jahren den renommierten Pulitzer-Preis – für einen wuchtigen Roman über die Grosse Dürre in den USA der 1930er Jahren. Schon in diesem Roman spielte Natur eine prägende Rolle. Jahre später machte Josephine Johnson nochmals Furore, mit literarischen Naturbeobachtungen, die zum Bestseller wurden. «Ein Jahr in der Natur» ist ein Wunder, findet Literaturredaktorin Franziska Hirsbrunner. Eine Schwangerschaft ist eine bedeutende Veränderung – nicht nur für die Beziehung und die Zukunft der werdenden Eltern, sondern auch für den Körper der Frau. Verena Güntner geht diesen Umwandlungen in ihrem Roman «Medulla» nach. Und das anhand drei unterschiedlicher Paare. Dabei wird viel in Frage gestellt: Lebensentwürfe, gesellschaftliche Erwartungen und Geschlechternormen. Ariane Schwob spricht über den Roman, der unverhohlen die Selbstermächtigung der Frau ins Zentrum setzt. Buchhinweise: Josephine Johnson. Ein Jahr in der Natur. Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. 276 Seiten. Die Andere Bibliothek, 2025. Verena Güntner. Medulla. 240 Seiten. DuMont, 2025.
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Folge vom 07.10.2025Aktuelle Buchempfehlungen: Die grossen FragenMit «Goldstrand» von Katerina Poladjan und «Die Passantin» von Nina George hat sich die Runde am SRF-Literaturstammtisch im Buchzeichen für einmal die grossen Fragen des Lebens ausgesucht. Zum Beispiel die Frage, wie Herkunft und Zeitumstände Lebensläufe beeinflussen. Damit beschäftigt sich die in Moskau geborene deutsche Autorin Katerina Poladjan immer wieder. In ihrem neuen Roman «Goldstrand» lässt sie einen alternden römischen Filmemacher nach Antworten suchen. Eli hadert damit, dass er seinen Vater nicht kennt. Dieser soll 1922 als kleiner Junge von Odessa nach Konstantinopel geflüchtet sein und auf dem Schiff seine Schwester verloren haben. In einer zwischen Traum und Wirklichkeit pendelnden Reise geht Eli Vater und Tante nach. Ihm zur Seite steht seine forsche Psychoanalytikerin. So entsteht ein Buch, das witzig und berührend die grossen Fragen des Lebens stellt. Eine andere grosse Frage, die sich die Menschen gerne stellen, die von einem Ausbruch aus dem Alltagsstress träumen, ist: Was wäre, wenn? Wie ein restloses Verschwinden konkret aussieht und welche Konsequenzen es für die eigene Identität haben kann, erkundet Nina George in ihrem Roman «Die Passantin». Ein Buch über Wut, Gewalt und Identitätssuche, das sich den schmerzhaften Wahrheiten des Frauseins stellt – und doch das Schöne hervorhebt, findet Ariane Schwob. Der Buchtipp der Woche kommt heute von BuchZeichen-Gastgeber Michael Luisier. Er empfiehlt» Im Gespinst in dem ich wohne», das neue Buch mit den hochdeutschen Gedichten von Endo Anaconda, das eben beim Verlag «Gesunder Menschenversand» erschienen ist. Buchangaben: Katerina Poladjan. Goldstrand. 160 Seiten. S. Fischer Verlag, 2025. Nina George. Die Passantin. 318 Seiten. Kein & Aber Verlag, 2025. Endo Anaconda. Im Gespinst in dem ich wohne, Schlaflieder, Liebeslieder, Seuchenlieder. Herausgegeben von Martin Bieri, Matthias Burki und Nina Rieben. 168 Seiten. Der gesunde Menschenversand, 2025.
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Folge vom 30.09.2025Existenzielle Grunderfahrungen: Nora Gomringer und Paul LynchDie Schweizer Lyrikerin Nora Gomringer schreibt in ihrem neuen Buch «Am Meerschwein übt das Kind den Tod» tiefgründig über den Tod ihrer Mutter. Der irische Schriftsteller Paul Lynch erzählt in «Jenseits der See» mit Wucht von einer existenziellen Prüfung auf dem Meer. Die 45jährige deutsch-schweizerische Lyrikerin Nora Gomringer schreibt mit Herzblut. Gleichzeitig geht sie engagiert vielen anderen Tätigkeiten nach. Zum Beispiel ist sie Direktorin des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg. Ihre Gedichte sind leidenschaftlich eigenwillig. Sie sind geprägt von der Slam Poetry, aber auch von ihren Eltern, Nortrud und Eugen Gomringer. Er war der bekannteste Vertreter der konkreten Poesie, sie eine meinungsstarke Germanistin. Über das Leben mit ihren Eltern habe Nora Gomringer nun ein packendes Prosabuch geschrieben. Das sagt Franziska Hirsbrunner, die das Buch mit an den Literaturstammtisch bringt. In «Jenseits der See» spielt der irische Bookerpreis-Träger Paul Lynch durch, was geschieht, wenn Menschen ohne den Schutz der Zivilisation und der Kultur der Gewalt der Natur ausgesetzt sind. Konkret erzählt er die auf realen Geschehnissen beruhende Geschichte von zwei Fischern, die in ihrem kleinen Boot über Monate auf der unendlichen Weite des Pazifiks treiben. Das Buch sei von einer «gewaltigen Wucht», sagt Felix Münger. In diesem «Kammerspiel» auf hoher See gehe Paul Lynch den Grundfragen der menschlichen Existenz nach – und verfahre dabei mit seinen Figuren absolut schonungslos. Buchhinweise: Nora Gomringer. Am Meerschwein übt das Kind den Tod. 208 Seiten. Verlag Voland & Quist, 2025. Paul Lynch. Jenseits der See. Aus dem Englischen von Eike Schönfeld. 184 Seiten. Klett-Cotta, 2025.