Nach Esther Vilar wird der Mann in der Moderne von der Frau unterdrückt
Nach Esther Vilar wird der Mann in der Moderne von der Frau unterdrückt © mark normand / freeimages.com

LiteraturLesung

Der dressierte Mann | Teil 6 von 7

Teil 6/7 | 1971 veröffentlichte Esther Vilar eine Streitschrift, in der sie darüber spricht, wie der Mann entmachtet wird. In der Sendung "Der dressierte Mann" geht es um ihr Werk, das noch immer aktuell ist und stets im Fokus von Diskussionen steht.

Als die Feminismus-Debatte 1971 gerade geführt wurde, traute sich Esther Vilar den Mainstream-Meinungen zu widersprechen und die These aufzustellen, dass in der modernen Industriegesellschaft tatsächlich Männer diejenigen sind, die von Frauen klein gehalten werden und nicht andersherum.

Ihre These begründet sie unter anderem damit, dass Frauen wählen können, ob sie das Leben eines Mannes führen möchten oder ob sie ein "parasitäre[s] Luxusgeschöpf" sein wollen. Der Mann hingegen kann nicht wählen, wie er sein Leben gestalten will. Denn schon in ihrer Erziehung bekommen Männer mit auf den Weg, dass sie einmal ihre Familie ernähren müssen und erst ruhen können, wenn sie in Rente sind. Ihr gesamtes Leben sorgen Männer für ihre Frauen. Umgekehrt ist das eigentlich nie der Fall und falls doch, dann ist das nur für einen absehbaren Zeitraum.

Esther Vilars Thesen basieren auf wissenschaftlichen Fakten und Logik, auch Humor und Polemik finden sich in ihrem Werk. Die Soziologin und Ärztin machte den Feministinnen damals einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Aber es ist nicht so, als würde sich die Schriftstellerin nur für Männer einsetzen. Denn sie zeigt lediglich auf, dass auch der Mann in dieser Gesellschaft ein Sklave ist und in den Beziehungsgeflechten ebenso ein Gefangener sei wie die Frau.

Seit der Veröffentlichung ihres Werkes wird es immer wieder stark diskutiert. Die Thesen von Vilar büßen auch in unserer heutigen Zeit nichts an Aktualität ein, da zum einen das Modell des Ernährers nicht mehr zeitgemäß ist und die Arbeitsmarktkrise die traditionellen Rollenbilder hinterfragt. Die Schriftstellerin setzte sich dafür ein, dass die Arbeitszeiten verkürzt werden und die Arbeit auf Männer und Frauen gleichmäßig verteilt wird. Dadurch würde es auch zu einem "Ende der Dressur" kommen.

Zum Autor

1935 kam Esther Vilar in Buenos Aires zur Welt. Ihre Eltern waren Emigranten aus Deutschland. In Buenos Aires absolvierte sie ein Medizinstudium und danach in Deutschland ein Soziologiestudium. Als Ärztin war sie bis ins Jahr 1963 tätig, danach arbeitete sie als Schriftstellerin und Übersetzerin. Zu ihren Essays gehören das 1971 veröffentlichte "Der dressierte Mann", 1974 erschien "Das polygame Geschlecht", 1977 kam "Das Ende der Dressur" heraus. Außerdem kam es 1980 zur Veröffentlichung von "ALT – Ein Manifest gegen die Herrschaft der Jungen" und 1990 wurde "Die 25-Stundenwoche" herausgebracht. 1994 erschien "Heiraten ist unmoralisch" und 1996 veröffentlichte sie "Der betörende Glanz der Dummheit". Auch Theaterstücke gehören zu den Werken von Vilar: 1993 kam ihr Werk "Erziehung der Engel" raus und 1994 "Speer". 2000 brachte sie "EiferSucht" heraus. Die Romane "Die Mathematik der Nina Gluckstein" von 1985 und "Rositas Haut" von 1990 stammen ebenfalls von Vilar.

"Der dressierte Mann" im Überblick

Der dressierte Mann

von Esther Vilar

Mit Leslie Malton

Produktion: 2005

Sendezeit Di, 18.04.2023 | 09:00 - 09:40 Uhr
Sendung MDR KULTUR "Lesezeit"
Radiosendung