Zweiter Teil der Fragestellung: Was ist Pseudowissenschaft und wie grenzt sie sich von »richtiger« Wissenschaft ab. Und außerdem: warum ist das überhaupt wichtig? Wem und welcher Aussage können wir vertrauen?
Eine Abgrenzung ist aus philosophischer Sicht interessant, aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht wichtig. Ohne eine einigermaßen saubere Trennung besteht die Gefahr dass wir
unsere Aufmerksamkeit und Zeit verschwenden
sachliche falsche politische Entscheidungen treffen
viel Geld verschwendet und Leid angerichtet wird
Menschen werden betrogen oder getäuscht werden
Anhand einiger Beispiele wie Astronomie im Vergleich zu Astrologie, Anthroposophie, Homöopathie, Kreationismus und anderen werden die Prinzipien erklärt.
Die Abgrenzung ist aber alles andere als einfach. Zunächst werden elementare Prinzipien moderner Naturwissenschaften angesprochen, wie die Idee des Naturalismus aber auch die Frage, wo die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis liegen können. Dann gehen wir auf einige fundamentale philosophische Kriterien wissenschaftlicher Aussagen ein, wie:
Ockhams Rasiermesser
Gültigkeit von wissenschaftlichen Aussagen
Induktion und Deduktion (oder: wie kommen wir zu Gesetzmäßigkeiten und wie wenden wir diese an?)
Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit (auch mit der Idee des Falsifikationsimsus)
und nicht zuletzt: wie prüfen wir Behauptungen?
»In früheren Zeiten wurde der Träger der Theorie ausgeschieden. Jetzt können wir unsere Theorien an unserer Statt für uns sterben lassen.«, Karl Popper
Wir werden aber auch feststellen, dass in den modernen, komplexen und stark vernetzten Wissenschaften, einfache Ansätze nicht mehr ohne weiteres gültig sind – wie kommen wir hier voran? Eine wesentliche Indikation hat der Philosoph Betrand Russel schon vor längerer Zeit gegeben:
»Wissenschaft hat, seit der Zeit der arabischen Wissenschaft zwei Funktionen, sie ermöglicht uns Dinge zu wissen und sie ermöglicht uns Dinge zu tun«, Betrand Russel
Nach diesen sehr prinzipiellen Fragen kommen wir zu ganz konkreten und praktischen Anhaltspunkten, wie es uns auch als »normalen« Menschen ganz praktisch gelingen kann, glaubwürdige Aussagen und Systeme von unglaubwürdigen Pseudowissenschaften zu unterscheiden. Angesichts der anstehenden Herausforderungen und Probleme scheint dies von größter Bedeutung zu sein um unsere Kräfte in die richtige Richtung zu lenken.
Referenzen
Philosophische Betrachtungen
Alan Chalmers, What is this thing called science, Open University Press (2013)
Adam Morton, A Guide Through the Theory of Knowledge
Carol Tavris, Elliot Aronson, Mistakes Were Made (But Not by Me): Why We Justify Foolish Beliefs, Bad Decisions, and Hurtful Acts
Massimo Pigliucci, Nonsense on Stilts
Karl Popper, Alles Leben ist Problemlösen
Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt
Bertrand Russell, The Impact of Science on Society
Stanford Encyclopaedia on Philosophy, Pseudoscience
Mario Bunge, Finding Philosophy in Social Science. New Haven, CT: Yale University Press (1996)
Skeptische Literatur
Carl Sagan, The Demon Haunted World
Believing Scripture but Playing by Science’s Rules, New York Times, Feb. 12, 2007
How Reliable are Psychological Studies?, The Atlantic (2015)
Reproducibility Project: Psychology
Astrologie
Peter Hartmann, Martin Reuter, Helmuth Nyborg, The relationship between date of birth and individual differences in personality and general intelligence: A large-scale study, Personality and Individual Differences 40 (2006) 1349–1362
PSIRAM Wiki zu Astrologie
Medizin
Ethnic difference
Autismus und Impfung (Wakefield Studie)
Artikel in Spiegel Online
PSIRAM Wiki zu Andrew Wakefield
Johan Hari, Lost Connection. Uncovering the Real Causes of Depression and the Unexpected Solutions
Kultur & GesellschaftBildungWissenschaft & Technik
Zukunft Denken – Podcast Folgen
Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?
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Folge vom 26.11.2019014 - (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 2
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Folge vom 12.11.2019013 - (Pseudo)wissenschaft? Welcher Aussage können wir trauen? Teil 1Erster Teil der Fragestellung: Was ist Pseudowissenschaft und wie grenzt sie sich von »richtiger« Wissenschaft ab. Und außerdem: warum ist das überhaupt wichtig? Wem und welcher Aussage können wir vertrauen? Eine Abgrenzung ist aus philosophischer Sicht interessant, aus wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht wichtig. Ohne eine einigermaßen saubere Trennung besteht die Gefahr dass wir unsere Aufmerksamkeit und Zeit verschwenden sachliche falsche politische Entscheidungen treffen viel Geld verschwendet und Leid angerichtet wird Menschen werden betrogen oder getäuscht werden Anhand einiger Beispiele wie Astronomie im Vergleich zu Astrologie, Anthroposophie, Homöopathie, Kreationismus und anderen werden die Prinzipien erklärt. Die Abgrenzung ist aber alles andere als einfach. Zunächst werden elementare Prinzipien moderner Naturwissenschaften angesprochen, wie die Idee des Naturalismus aber auch die Frage, wo die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnis liegen können. Dann gehen wir auf einige fundamentale philosophische Kriterien wissenschaftlicher Aussagen ein, wie: Ockhams Rasiermesser Gültigkeit von wissenschaftlichen Aussagen Induktion und Deduktion (oder: wie kommen wir zu Gesetzmäßigkeiten und wie wenden wir diese an?) Nachvollziehbarkeit und Prüfbarkeit (auch mit der Idee des Falsifikationsimsus) und nicht zuletzt: wie prüfen wir Behauptungen? »In früheren Zeiten wurde der Träger der Theorie ausgeschieden. Jetzt können wir unsere Theorien an unserer Statt für uns sterben lassen.«, Karl Popper Wir werden aber auch feststellen, dass in den modernen, komplexen und stark vernetzten Wissenschaften, einfache Ansätze nicht mehr ohne weiteres gültig sind – wie kommen wir hier voran? Eine wesentliche Indikation hat der Philosoph Betrand Russel schon vor längerer Zeit gegeben: »Wissenschaft hat, seit der Zeit der arabischen Wissenschaft zwei Funktionen, sie ermöglicht uns Dinge zu wissen und sie ermöglicht uns Dinge zu tun«, Betrand Russel Nach diesen sehr prinzipiellen Fragen kommen wir zu ganz konkreten und praktischen Anhaltspunkten, wie es uns auch als »normalen« Menschen ganz praktisch gelingen kann, glaubwürdige Aussagen und Systeme von unglaubwürdigen Pseudowissenschaften zu unterscheiden. Angesichts der anstehenden Herausforderungen und Probleme scheint dies von größter Bedeutung zu sein um unsere Kräfte in die richtige Richtung zu lenken. Referenzen Philosophische Betrachtungen Alan Chalmers, What is this thing called science, Open University Press (2013) Adam Morton, A Guide Through the Theory of Knowledge Carol Tavris, Elliot Aronson, Mistakes Were Made (But Not by Me): Why We Justify Foolish Beliefs, Bad Decisions, and Hurtful Acts Massimo Pigliucci, Nonsense on Stilts Karl Popper, Alles Leben ist Problemlösen Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt Bertrand Russell, The Impact of Science on Society Stanford Encyclopaedia on Philosophy, Pseudoscience Mario Bunge, Finding Philosophy in Social Science. New Haven, CT: Yale University Press (1996) Skeptische Literatur Carl Sagan, The Demon Haunted World Believing Scripture but Playing by Science’s Rules, New York Times, Feb. 12, 2007 How Reliable are Psychological Studies?, The Atlantic (2015) Reproducibility Project: Psychology Astrologie Peter Hartmann, Martin Reuter, Helmuth Nyborg, The relationship between date of birth and individual differences in personality and general intelligence: A large-scale study, Personality and Individual Differences 40 (2006) 1349–1362 PSIRAM Wiki zu Astrologie Medizin Ethnic difference Autismus und Impfung (Wakefield Studie) Artikel in Spiegel Online PSIRAM Wiki zu Andrew Wakefield Johan Hari, Lost Connection. Uncovering the Real Causes of Depression and the Unexpected Solutions
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Folge vom 17.10.2019012 - Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren habenIn welcher Vorstellung von Zeit leben wir, beziehungsweise lebten wir? Die Vorstellung von Zeit, Geschichte, Vergangenheit und Zukunft einer Gesellschaft oder einer Kultur ist eine wesentliche Frage für den Umgang mit Erkenntnis, Technologie und Politik. Dies ist historisch interessant hat aber ebenso erhebliche Auswirkungen auf die Art und Weise wie sich technischer und wirtschaftlicher Fortschritt entwickelt und unsere heutige Kultur gestaltet hat. Wie gehen wir mit unserer Zukunft um? Das hängt in starkem Maße von unserem Bild der Zeit ab. Eine lineare Zeit mit Vergangenheit und offener Zukunft, die vor allem auch von Menschen beeinflussbar und gestaltbar ist eher eine moderne, zeitgemäße Vorstellung von Zeit, die wir nicht in allen Epochen der menschlichen Entwicklung finden. Vor der Aufklärung war etwa die europäische Kultur sehr an der Antike sowie an religiösen Mythen orientiert: »Früher war nicht einfach nur alles besser, sehr viel früher war sogar nahezu alles perfekt.«, Achim Landwehr Also ein Leben in der Orientierung einer vermeintlich perfekten Vergangenheit: »Der Fortschritt musste also immer ein Rückschritt sein zu den Alten, den Antiken, den Vorfahren«, Achim Landwehr Philip Blom schreibt, Ende 16. Jahrhundert sah man die »ruina mundi« kommen, den Untergang der Welt. Natürliche Beobachtungen wurden durch Zitate Bibel begründet, Naturkatastrophen theologisch interpretiert. »Seit der Antike gilt: es ist egal wann sie geboren sind oder sterben, es läuft immer dasselbe Stück – Dies stimmt seit 200 Jahren nun nicht mehr.«, Peter Sloterdijk Erst ab 1700 wird es für die Menschen erst langsam zur Möglichkeit, dass sich die Zukunft durch eigenes Handeln beeinflussen lässt. Moderne Wissenschaft beginnt sich somit in etwa ab der Neuzeit zu entwickeln und die empirischen Wissenschaften, wie Physik und Chemie beginnen langsam Form anzunehmen und nehmen ab dem 18. und 19. Jahrhundert enorm an Fahrt auf. Heute leben wir in zahlreichen Widersprüchen, zwischen der Alternativlosigkeit politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen, der Hilflosigkeit bei ethisch schwierigen Fragen und einem neuen Hyper-Individualismus. Welche Rolle kann der Einzelne überhaupt noch wahrnehmen? »Tatsächlich glauben die meisten Menschen in den reichen Ländern, daß es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen.« Rutger Bregman, Zygmunt Bauman Der Philosoph Byung-Chul Han beobachtet: »Wir leben in einer besonderen historische Phase, in der die Freiheit selbst Zwänge hervorruft. Die Freiheit des Könnens erzeugt sogar mehr Zwänge als das disziplinarische Sollen, das Gebote und Verbote ausspricht. Das Soll hat eine Grenze. Das Kann hat dagegen keine.« Wir leben, so hat es den Anschein, zwischen Verwirrung, vermeintlichem Zwang und fragwürdigen Retropien. Aber ist das alles überhaupt begründet? Gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma? Referenzen Zeitvorstellung Thomas Maissen, Vom Werden der Zukunft, Spektrum der Wissenschaft, September 2010 Achim Landwehr, Geburt der Gegenwart: Eine Geschichte der Zeit im 17. Jahrhundert Philip Blom, Die Welt aus den Angeln Zygmunt Bauman, Retrotopia Rushkoff, Douglas. Present Shock: When Everything Happens Now Peter Sloterdijk, Gespräch in den Sternstunden Philosophie Weitere Referenzen Carl Becker, die Welt von Morgen Byung-Chul Han, Psychopolitik Yuval Harari, Homo Deus Jared Diamond: Lessons from Hunter-Gatherers Shoshana Zuboff, Surveillance Capitalism Pierre Casse, Leadership without concessions (2015)
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Folge vom 11.09.2019011 - Ethik, oder: Warum wir Wissenschaft nicht den Wissenschaftern überlassen sollten!Ethik und Wissenschaft – eine überflüssige Episode? Es gibt Wissenschafter, die sich auf die Position zurückziehen: Wissenschaft wäre nur Erkenntnisgewinn, Ethik beginnt bestenfalls mit der Anwendung. Ethik und Philosophie wären recht überflüssige Tätigkeiten, lästig und nicht hilfreich. Ich teile diese Ansicht nicht – ich hoffe auch Sie nicht, nachdem Sie diese Episode gehört haben. Zwei Thesen zu Beginn: Nassim Taleb: »Wissenschaft ist großartig, aber einzelne Wissenschafter sind gefährlich« Daraus folgt aus meiner Sicht: wir dürfen Wissenschaft als Gesellschaft keinesfalls den Wissenschaftern alleine überlassen sondern müssen uns energisch einbringen Warum ist das so? Wir beginnen mit einem kurzen Blick in die jüngere Vergangenheit bevor wir uns in die Gegenwart und Zukunft begeben. Dazu drei wesentliche Aspekte: Erkenntnisse die unter ethisch sehr fragwürdigen Rahmenbedingungen entstanden sind (»Nazi« Forschung, Experimente an Menschen in den 1960er und 1970er Jahren!) – wie gehen wir damit um? Wissenschafter mit problematischen politischen oder ethischen Ansichten (wie Martin Heidegger, Johannes Stark und Philipp Lenard, die Agitatoren einer deutschen versus »jüdischen« Physik) Und der Blick in Gegenwart und Zukunft: wie gehen wir mit dem enormen Potential wissenschaftlicher Möglichkeiten um, die aber ethisch umstritten sind, z.B. die Stammzellenforschung, aber auch mit ethischen Herausforderungen, die sich aus unserem kapitalistischen System ergeben. Dies betrifft etwa die Pharma-Industrie, aber auch sehr stark die Digitalisierung und Innovationen im Bereich der Informatik. In 20 Minuten wie immer, ein erster Gedankengang, den wir später noch vertiefen können. Referenzen Eduard Pernkopf und der medizinische Atlas Gustav Spann, Untersuchungen zur Anatomischen Wissenschaft in Wien 19381945, Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, Jahrbuch 1999 Chris Hubbard, Eduard Pernkopf’s atlas of topographical and applied human anatomy: The continuing ethical controversy, The Anatomical Record, Volume 265, Issue 5, pages 207–211, 15 October 2001 William E. Seidelman, Medicine and Murder in the Third Reich, Jewish Virtual Library Eduard Pernkopf in SA Uniform und Hitlergruß vor der Vorlesung (Dokumentationsarchiv des österr. Widerstands) Mary Roach, Stiff: The Curious Lives of Human Cadavers, W. W. Norton & Company (May 2004) Tuskegee Syphillis Studie CDC Zusammenfassung (inkl. Entschuldigung des US Präsidenten Bill Clinton 1997) Christian Reinboth, Das Tuskegee-Experiment und die Grenzen medizinischer Forschung Jüdische Physik und »Nazi-Wissenschafter« SEP: Martin Heidegger Armin Hermann, die Jahrhundertwissenschaft; Werner Heisenberg und die Geschichte der Atomphysik, rororo (1993) Nobel Prize: Philipp Lenard Nobel Prize: Johannes Stark beachten Sie die nur minimale Erwähnung der Thematik in der Vorstellung der Wissenschafter auf den Seiten des Nobelpreises. Digitalisierung Shoshana Zuboff, Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus (2018) Moshe Y. Vardi, To Serve, Communications of the ACM, July 2019, Vol. 62 No. 7, Page 7 Verschiedenes Nassim Taleb, Fooled by Randomness, Penguin (2007)